Barcelona:"Das Leben geht weiter!"

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Menschen kommen auf der Plaza de Catalunya zu einer Schweigeminute zusammen. (Foto: dpa / Schweigeminute in Barcelona für die Opfer des Terroranschlags)

Die Stimmung in Barcelona ist am Morgen nach dem Anschlag gedämpft. Bei der Schweigeminute zeigt sich aber: Die Menschen wollen sich nicht unterkriegen lassen.

Von Thomas Urban, Barcelona

Die Reinigungstrupps haben alle Spuren des Verbrechens beseitigt. Nachdem die Ermittler der Polizei abgerückt waren, säuberten sie bis zum frühen Morgen den Boulevard Las Ramblas. Keine Blutflecken sind mehr zu sehen, ein paar zertrümmerte Kioske auf der berühmten Flaniermeile wurden weggeräumt, andere provisorisch repariert.

Die meisten Andenkenläden entlang der 550 Meter langen Strecke im Nordabschnitt der Ramblas, an der ein weißer Lieferwagen am Donnerstag mindestens 13 Menschen in den Tod gerissen hatte, sind am Freitagvormittag wieder geöffnet. Viele sind drapiert mit weißen Blättern, auf die eine schwarze Trauerschleife aufgedruckt ist. Der Lieferwagen wurde noch in der Nacht abtransportiert, nachdem ihn ein Sprengstoffroboter geöffnet hat. Die Polizei hatte zunächst gefürchtet, dass in ihm eine Bombenladung versteckt sei.

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Zwei junge Frauen legen neben der Stelle, an der der Wagen zum Stehen gekommen war, ein Stück türkisfarbene Folie auf das Pflaster, offenbar aus einer Plastiktischdecke ausgeschnitten. Mit dickem schwarzen Filzstift steht darauf auf Katalanisch und Spanisch: "Katalonien, Ort des Friedens!" Touristen stellen Teelichter daneben, eine ältere Frau hat zwei Kerzen mitgebracht. "Aus der Kirche von nebenan", sagt sie. Ein Kind legt einen kleinen rosafarbenen Teddybär dazu. Als die Blumenläden öffnen, werden nach und nach Blumensträuße und viele einzelne Rosen um die Friedensbotschaft drapiert, vor allem in den Farben rot und weiß.

Die Caféterrassen sind schnell wieder gut besucht

Die Ramblas sind am frühen Morgen wieder freigegeben worden. Somit konnten auch Hunderte von Touristen, die stundenlang orientierungslos in Bars, auf den Plätzen in der Innenstadt oder schnell aufgestellten Zelten des Roten Kreuzes auf der großen Plaça de Catalunya ausharren mussten, in ihre Unterkünfte zurückkehren. Dutzende wurden spontan von Einheimischen aufgenommen, über Facebook wurden Adressen weitergegeben. Am Freitagvormittag ziehen wieder Hunderte über die Ramblas. Im Südabschnitt, bis zu dem der Todesfahrer nicht gekommen war, sind auch die Caféterrassen wieder gut besucht.

Doch es herrscht eine gedämpfte Stimmung. Auf der Flaniermeile, die in den Augen der Traditionalisten in den letzten Jahren zu einem lauten und ordinären Rummelplatz verkommen ist, scheinen alle bemüht zu sein, leise zu sprechen. Auch die Polizisten, sonst immer zu jovialen Scherzen und Selfies mit Touristen bereit, blicken angespannt. Im Rundfunk und in den sozialen Medien warnen die Behörden unaufhörlich vor Nachahmungstätern. Für Autos bleiben die Ramblas und ihre Seitenstraßen gesperrt, nur Müllwagen und die in Barcelona gefürchteten kleinen Abschleppwagen für falsch geparkte Motorräder und Mopeds dürfen in die Zone einfahren.

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Menschen gedenken der Opfer des Anschlags. Die Ramblas sind wieder geöffnet, es sind jedoch kaum Menschen unterwegs. Bilder aus der Nacht und vom Tag danach.

Einer der Polizisten hat aber auch eine andere Botschaft für die Flanierer: "Auch heute sind hier wieder Taschendiebe unterwegs, passt auf!" Dann setzt er hinzu: "Das Leben geht weiter!"

Colau trägt ein weißes Kleid, Symbol für Freude und Optimismus

Oberbürgermeisterin Ada Colau, die aus der linksalternativen Hausbesetzerszene stammt, sich aber sehr schnell an Businesskostüme und Dienstwagen gewöhnt hat, setzte in der Nacht mit ihrem Appell an die Einwohner der Stadt ein Zeichen: Sie trug ein weißes Kleid. Die Farbe symbolisiert in den europäischen Ländern traditionell Freude und Optimismus, wie die Kommentatoren der Lokalpresse unterstreichen.

Ihre Botschaft: "Barcelona war immer eine offene Stadt, wir wollen gastfreundlich bleiben!" Die Stadt dürfe nun nicht in Depression verfallen, sie werde auch nicht zulassen, dass Barcelona zu einer abgeschotteten Festung werde. "Wir zeigen keine Angst", wiederholt Ada Colau auch am Morgen danach. "Wir fürchten uns nicht, auf die Straße zu gehen, wir lassen uns nicht einschüchtern."

Aus allen Richtungen streben Menschen am Freitagmittag zur zentralen Plaça de Catalunya. Um zwölf Uhr findet hier eine Schweigeminute statt. Die Polizei hat Sicherheitsschleusen eingerichtet, Personen mit großen Taschen oder Rucksäcken werden nicht auf den Platz gelassen. Auch König Felipe VI. und Premier Rajoy sind gekommen. Vielen Menschen laufen Tränen über die Wangen. Doch anstatt zu schweigen klatschen sie.

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