Baden-Württemberg:Wöchentlicher Charterflug

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Grün-Rot als Vorreiter: Das Bundesland verstärkt die Abschiebungen von Flüchtlingen und spricht von "Rückkehrmanagement".

Von Josef Kelnberger, Stuttgart

"Rückkehrmanagement", der Begriff klingt bürokratisch und doch menschlich. Aber beschönigt er nicht den rigiden Kurs der Abschiebung von Flüchtlingen, den die grün-rote Regierung Baden-Württembergs nun einschlägt? "Das ist kein Schönsprech", erwiderte Ministerpräsident Winfried Kretschmann am Dienstag bei der Vorstellung des vom 1. Januar an wirksamen Programms. "Wir führen die Leute geordnet und respektvoll zurück." Das Ziel ist aber eindeutig: Das Land will möglichst viele Flüchtlinge ohne Bleibeperspektive möglichst schnell loswerden. Und Kretschmann sowie sein Innenminister Reinhold Gall (SPD) nehmen für sich in Anspruch, unter den Bundesländern damit eine Vorreiter-Rolle zu spielen.

Gall hat einen Stab für das Rückkehrmanagement eingerichtet, im Regierungspräsidium Karlsruhe werden 65 Stellen dafür geschaffen. Flüchtlinge aus "sicheren Herkunftsländern", also vor allem vom West-Balkan, sollen durch gezielte Informationen über ihre Chancen zur freiwilligen Rückkehr bewegt werden, ehe sie einen Asylantrag stellen. Für ausreisepflichtige Asylbewerber ist wöchentlich eine "Sammelrückführung" geplant, ein Charterflug für 150 Menschen. Ob Flüchtlinge kurzfristig erkrankt sind, sollen Vertragsärzte des Landes feststellen. Baden-Württemberg hat in diesem Jahr bislang 1630 abgelehnte Asylbewerber abgeschoben. Nur Nordrhein-Westfalen (2936) und Bayern (2718) haben höhere Zahlen aufzuweisen.

Mit dem Rückkehrmanagement setzt die Regierung das "Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz" um, auf das sich Bund und Länder verständigt haben. Abschiebungen werden nicht mehr angekündigt; Asylbewerber aus sicheren Herkunftsländern sollen bis zu sechs Monate, möglichst bis zum Abschluss ihres Verfahrens, in den Erstaufnahmestellen bleiben. Die Mehrzahl der West-Balkan-Flüchtlinge wird in Baden-Württemberg im Registrierzentrum Heidelberg erfasst, wo Asyl-Bewerber je nach Bleibeperspektive separiert werden. Das von Innenminister Thomas de Maizière als "Pilotprojekt" gerühmte Modell will die Landesregierung nicht in eine Einrichtung nur für Menschen vom West-Balkan umwandeln.

Die aktuelle Debatte über eine Beschränkung des Zuzugs von Familienangehörigen aus Syrien kritisierte Kretschmann scharf. Die Politik müsse beschlossene Maßnahmen konsequent umsetzen, statt ständig neue Themen in die Welt zu setzen. "Das bringt nichts - außer noch mehr Stimmen für die AfD." Inhaltlich bezog er keine Position.

© SZ vom 11.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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