Baden-Württemberg:Mit links

Leni Breymaier

Leni Breymaier soll die SPD aus der Krise führen. Manche sagen: zurück in die Siebziger Jahre.

(Foto: Bernd Weissbrod/dpa)

Nach dem Landtagswahl-Debakel sucht die SPD nach dem Neuanfang. Leni Breymaier will die Partei künftig als Landeschefin führen. Einige Sozialdemokraten befürchten: zurück in die Siebzigerjahre.

Von Josef Kelnberger, Stuttgart

Der Vater von Leni Breymaier hat sein Geld in der Gastronomie verdient, die Mutter als Krankenschwester im Nachtdienst. Gemeinsame Wochenenden, geschweige denn Urlaube verbrachte die Familie nur selten. Vermutlich hat es auch damit zu tun, dass Breymaier zur Gewerkschafterin und Sozialdemokratin wurde. Der Schutz vor den Zumutungen der Arbeitswelt, der Zusammenhalt in der Gesellschaft sind ihre Themen. Ihren Aufstieg zur baden-württembergischen Landes-Chefin der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und zur stellvertretenden Vorsitzenden der Südwest-SPD verdankt sie zweifellos auch ihrem flotten Mundwerk, das Menschen begeistern, aber weh tun kann. Als jüngste von fünf Geschwistern habe sie sich eben behaupten müssen, sagt sie. Noch so eine Prägung aus Breymaiers Jugend in Ulm. "Der gemeine Schwabe spricht eher langsam. Ich spreche eher schnell und pointiert."

Agenda 2010, Rente mit 67 - für die Gewerkschafterin verletzt das die sozialdemokratische DNA

In diesen Tagen klingt Leni Breymaier allerdings matt und heiser, sie hat sich eine Erkältung eingefangen. Ein schlechtes Omen? Am Samstag stellt sie sich zur Wahl als Landesvorsitzende der SPD. Nach dem Schock vom 13. März, als die SPD aus der Regierung mit den Grünen heraus auf 12,7 Prozent abstürzte, musste der Vorsitzende Nils Schmid den Rückzug antreten. Die Basis wünschte sich für dieses Amt: erstens eine Frau. Zweitens eine Frau, die für soziale Gerechtigkeit steht. Drittens eine Frau mit Leidenschaft. Alles in allem das Gegenteil von Nils Schmid, der als Wirtschafts- und Finanzminister für eine unternehmerfreundliche Reform der Erbschaftsteuer gekämpft hatte. Die natürliche Wahl: Leni Breymaier, 56.

Sie muss nun eine gedemütigte SPD führen, die im Landtag kleiner ist als die AfD, aber das Selbstverständnis einer Volkspartei mit sich herumträgt. Linke gegen Netzwerker, Parteispitze gegen Fraktion, Männer gegen Frauen: Konfliktlinien gibt es genügend. Es tobt ein Richtungsstreit, der wohl typisch ist für die Selbstfindung der Sozialdemokratie ein Jahr vor der Bundestagswahl. Und schon werden Bedenken laut, ob die designierte Vorsitzende, von allen maßgeblichen Führungskräften unterstützt, den Laden wirklich zusammenhalten kann.

Schmid, Vertreter der pragmatisch Netzwerker, wird in Heilbronn das Feld kampflos räumen und nächstes Jahr für den Bundestag kandidieren. Breymaier, die als Spitzenkandidatin der Südwest-SPD in den Bundestagswahlkampf ziehen will, wird versichern, die Schmid-SPD habe in der Regierung großartige Arbeit geleistet. Sie setze nur andere Schwerpunkte, strebe aber keinen Kurswechsel an. Aber genau dieser Verdacht geht nun um: Breymaier stehe für einen radikalen Links-Schwenk und führe die Partei zurück in die Siebzigerjahre. Sie macht kein Geheimnis daraus, dass sie die Agenda 2010 und die Rente mit 67 für eine Verletzung der sozialdemokratischen DNA hält und aufgeschlossen ist für Koalitionen mit den Linken. Den Kampf gegen Altersarmut will sie zu ihrem großen Thema machen. Beim Parteikonvent zum Thema Ceta stimmte sie mit Nein. Breymaier spricht vielen in der Partei aus der Seele, die Südwest-SPD braucht wieder Luft zum Atmen. Aber mit einer Personalie hat sie die Gemüter dann doch in Wallung gebracht.

Luisa Boos, 31, heißt Breymaiers Kandidatin für das Amt der Generalsekretärin. Sie ist stellvertretende Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen in Baden-Württemberg und arbeitet für die Bundestagsabgeordnete Hilde Mattheis, die wiederum die SPD-Linke anführt. Boos hat als streitbare Juso-Frau ein paar verwundete Seelen in der Partei hinterlassen, noch vergangenes Jahr kritisierte sie vehement die Asylpolitik des SPD-Innenministers Reinhold Gall. In der SPD-Fraktion ist Boos schwer vermittelbar, nicht nur dem Abgeordneten Gall. Fraktions-Chef Andreas Stoch hat geholfen, den Weg für die Kandidatur Breymaiers zu ebnen, doch kurz vor dem Parteitag meldete er schwerste Bedenken gegen Luisa Boos an. Die Stimmung ist gereizt. Überlässt die SPD den Grünen endgültig den Platz in der linken Mitte des politischen Spektrums?

Selbst Leute, die es gut meinen mit Leni Breymaier, kritisieren, sie habe die Sache mit der Generalsekretärin nicht sonderlich diplomatisch angepackt. Sie erwidert darauf, der Name Boos sei an die Öffentlichkeit durchgestochen worden, ehe sie die Chance hatte, diplomatisch tätig zu werden. Alle Strömungen der Partei würden sich im neuen Vorstand wiederfinden, aber auf dem Generalsekretärsposten brauche sie eine Person ihres Vertrauens. Sie versteht diese Wahl ausdrücklich auch als Frauenförderung. Boos, eine alleinerziehende Mutter, gebe der Männer-Partei SPD - nur zwei Frauen finden sich in der 19-köpfigen Fraktion - ein modernes Gesicht. "Das Geknirsche", sagt Breymaier, "halte ich aus."

Dass Leni Breymaier und Luisa Boos bei der Wahl durchfallen, ist nicht zu erwarten, die Partei würde damit politischen Selbstmord begehen. Aber was weiß man schon bei den Sozialdemokraten? Die Frage, bei wie viel Prozent ihre Schmerzgrenze liegt, will Breymaier nicht beantworten. Sie ist jedenfalls hohe Zustimmungswerte gewohnt. Schon als Klassensprecherin wurde sie einstimmig gewählt.

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