Baden-Württemberg:Härte ohne harte Worte

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Winfried Kretschmann verbucht den Flüchtlingsgipfel als Erfolg. Nun kommt es darauf an, Asylanträge schnell abzuarbeiten.

Von Josef Kelnberger, Stuttgart

Am Tag danach konnte sich Winfried Kretschmann durchaus amüsieren über seinen CDU-Herausforderer Guido Wolf. Der Kollege Wolf habe ja den Flüchtlingsgipfel vorzeitig verlassen, deshalb könne er den Teil, in dem es um Integrationsmaßnahmen ging, gar nicht beurteilen, sagte Kretschmann. Soweit seine Replik auf den Vorwurf Wolfs, die Regierung habe lediglich einen "Rechtfertigungsgipfel" veranstaltet. Kretschmann konnte das letzte Wort für sich beanspruchen. Zunächst einmal. Der Ministerpräsident hatte der Öffentlichkeit Tatkraft demonstrieren können, ohne der Opposition einen Millimeter entgegenzukommen. Ausbau der Plätze in den Erstaufnahmestellen von 9000 auf 20 000. Einrichtung einer Task Force, um Quartierfragen effizienter zu lösen. Aussetzung der Regelung, wonach die Mindestwohnfläche für Flüchtlinge von 4,5 auf sieben Quadratmeter steigen soll. 30 Millionen zur Förderung von Wohnraum in den Kommunen. Nachhaltigere Abschiebungen. Und das alles, ohne ein böses Wort über Balkanflüchtlinge zu verlieren. Kretschmann machte sogar Vorschläge, wie man ihnen legale Wege in den deutschen Arbeitsmarkt öffnen könnte. Um aber der Opposition, die ein massiveres Vorgehen fordert, dauerhaft den Wind aus den Segeln zu nehmen, kommt es darauf an, die Asylanträge aus dem Balkan schnell abzuarbeiten - möglichst ohne die Bewerber vor der Entscheidung auf die Kommunen zu verteilen. Letztlich also genau das zu erreichen, was auch die Opposition fordert. Bloß ohne den Populismus eines Horst Seehofer.

Um Kapazitäten in den Erstaufnahmestellen frei zu machen, schlug die grün-rote Regierung vor, syrische Flüchtlinge aus dem Asylverfahren herauszunehmen und ihnen ein schnelleres Bleiberecht zu gewähren. Sie könnten so direkt auf die Kommunen verteilt werden. Eine solche Regelung allerdings liegt im Ermessen des Bundes. Der müsste Syrer beispielsweise in großer Zahl als "Kontingentflüchtlinge" im Rahmen internationaler humanitärer Hilfsaktionen definieren. Doch eine solche Initiative ist noch nicht einmal unterwegs.

Härte will die Regierung nun jedenfalls gegenüber abgelehnten Asylbewerbern demonstrieren. Nach Angaben von Innenminister Reinhold Gall gab es vom 1. Januar bis zum 15. Juli des laufenden Jahres 1241 Abschiebungen, mehr als im gesamten Vorjahr. Die Landesregierung will restriktiver gegen Flüchtlinge vorgehen, die sich einer Abschiebung entziehen oder nicht bei der Feststellung ihrer Identität mitwirken. Sie müssen damit rechnen, dass ein Teil ihres Taschengeldes in Höhe von 140 Euro im Monat gekürzt wird. Die Behörden seien darauf hingewiesen worden, mit Nachdruck von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen, sagte Gall.

Ob dieser Gipfel Kretschmann wirklich Ruhe verschafft hat, wird sich bis Herbst erweisen. Die Regierung muss vor allem für Entspannung sorgen in den völlig überfüllten Erstaufnahmestellen. Andernfalls gerät sie erneut unter politischen Druck, zum Beispiel in der Frage, ob weitere Balkanstaaten als "sichere Herkunftsländer" ausgewiesen werden sollen.

© SZ vom 29.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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