Autonomes Fahren:Wo sich Roboter verfahren

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Autos sollen auf Truppenübungsplätzen Verkehrsregeln lernen.

Von Joachim Becker

Wenn autonome Autos aufeinander losgelassen werden, um das Fahren zu lernen, können ungebetene Zuschauer nur schaden. Zu verlockend wäre es für Zaungäste, Fotos des einen oder anderen Crashs zu machen und ins Netz zu stellen. Am besten eignen sich für solche Tests also abgeschiedene Areale - zum Beispiel Truppenübungsplätze. Daimler ist gerade fündig geworden. 200 Millionen Euro lassen sich die Stuttgarter den ausgedienten Bundeswehrstandort in Immendingen kosten. Wo bis zum vergangenen Jahr Panzerhaubitzen und Raketenwerfer standen, sollen von 2018 an mindestens 300 Mitarbeiter an der Mobilität der Zukunft arbeiten.

Volkswagen testet schon seit einem halben Jahrhundert reguläre Autos im niedersächsischen Ehra-Lessien. Gut versteckt hinter hohen Wällen liegt das ehemalige Militärgelände 25 Kilometer nordwestlich von Wolfsburg. Doch Daimler hat andere Ziele, als durch Steilkurven zu donnern. Ein Großteil der Testfahrten soll von öffentlichen Straßen auf das Gelände der Oberfeldwebel-Schreiber-Kaserne in der Nähe des Bodensees verlegt werden. Im Januar haben die ersten Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz im ehemaligen Soldatenheim bezogen. Das 520 Hektar große Areal unterliegt weiterhin höchster Geheimhaltung. Denn es geht um ein extrem schwieriges und sensibles Feld der künstlichen Intelligenz: Roboterautos.

Der ADAC sucht so einen Platz noch, denn er steht vor demselben Dilemma wie die Autohersteller: Wie sollen autonome Systeme geprüft werden, deren Rechenschritte sich nicht mehr eins zu eins nachvollziehen lassen? Schon heute sind Luxuslimousinen mit bis zu 100 Millionen Zeilen Programm-Code die komplexesten Maschinen überhaupt. Doch das reicht für autonome Autos bei Weitem nicht aus. Pro Stunde fallen bei ihnen mehr als zwei Terabyte an Daten an. Das ist ungefähr die Menge, die auf 2000 herkömmliche Computer-Festplatten passt. Mit fest programmierter Software lassen sich solche Datengebirge nicht schnell genug bearbeiten. Also müssen die Fahrroboter selbst lernen. Die Schwierigkeit ist: Man kann den Maschinen mit neuronalen Netzwerken kaum in den Kopf schauen. Das Auto wird zur Black Box.

Die künstliche Intelligenz am Steuer führt fast zwangsläufig zu den ausgedienten Militärstützpunkten. In Tausenden Fahrstunden ohne Fahrer müssen die Roboter beweisen, was sie gelernt haben. Wie bei einer Fahrprüfung kurven sie über die riesigen asphaltierten Flächen und durch nachgebaute Städte. Damit werden Fehler aufgespürt und können beseitigt werden. Allein am Computer lässt sich das nicht mehr simulieren.

Nicht zum ersten Mal gibt es Berührungspunkte zwischen Armee und Autoherstellern. Anfang des Jahrtausends lobte die US-Militärforschungsagentur DARPA eine Million Dollar für ein autonomes Fahrzeug aus. Ihr Ziel, bis 2015 ein Drittel aller Militärvehikel autonom fahren zu lassen, hat sie zwar nicht erreicht. Wesentliche Grundlagen für das autonome Fahren wurden jedoch in den DARPA-Wüstenrennen gelegt. Das könnte sich quasi auf Umwegen auszahlen. Denn alles, was die autonomen Autos auf den ehemaligen Bundeswehrgeländen lernen, kann natürlich auch für militärische Zwecke genutzt werden.

© SZ vom 22.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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