Außenansicht:Wir gegen sie

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August Hanning, 71, ist Mitglied im Advisory Board des Counter Extremism Project (CEP) in New York. Von 1998 bis 2005 war er Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND). (Foto: Michael Kappeler/picture alliance/dpa)

Um dem Terror vorzubeugen, muss die Finanzierung radikaler Moscheen aus dem Ausland unterbunden werden.

Von August Hanning

Radikale Islamisten halten Europa in Atem. Nach den jüngsten Anschlägen in Manchester und London wird erneut klar, dass religiöse Fanatiker nichts unversucht lassen, um die westliche Gesellschaft zu erschüttern. Wer die quälende Frage nach dem "Warum" beantworten will, der muss weiter denken und darf sich nicht nur hinter Forderungen nach mehr Sicherheit verstecken. Hier in Europa spielt der Islam eine religiöse und kulturelle Schlüsselrolle bei Integrationsbemühungen von Muslimen. Damit sind Moscheen und deren Imame wichtige Elemente, die Integration fördern, aber auch scheitern lassen können. Viele Attentäter haben eines gemeinsam - sie sehen keine Perspektive in unserer westlichen Gesellschaft, waren Außenseiter oder gesellschaftliche Versager, bevor sie sich radikalisierten.

Manchester ist ein gutes Beispiel. Der Attentäter hat sich unter anderem in der Didsbury Mosque radikalisiert. Diese Moschee wurde aus dem Ausland finanziert, Vorsteher ist ein enger Freund der palästinensischen Hamas, der Imam wurde 2012 sogar in Libyen im Kampfanzug gesichtet, wie die BBC berichtete. In der Moschee dominiert der Islam der Muslimbrüder.

Viele europäische Moscheen und deren Imame werden aus dem Ausland finanziert. In den meisten Fällen ist es praktisch unmöglich, die Geldflüsse genau zurück zu verfolgen. Die Spenden von "reichen Privatleuten", Zuwendungen religiöser Stiftungen und Religionsministerien von Golfstaaten wie Katar verfolgen eine strategisch angelegte Agenda der Missionierungsarbeit in Europa und versuchen den Anschein zu erwecken, als würden sie uns damit einen wertvollen Dienst erweisen. Das Gegenteil ist der Fall. Die Mäzene aus dem Golf exportieren ein intolerantes und rückwärtsgewandtes Wertebild nach Europa, das mit unseren westlichen Vorstellungen und Grundwerten nicht vereinbar ist.

Sogar am Beispiel der Türkei ist erkennbar, wie stark der Einfluss der dortigen Religionsbehörde Diyanet auf die Niederlassungen in Europa ist. Deren Deutschland-Ableger Ditib stimmt nicht nur die Freitagspredigten eng mit Ankara ab. Der Respekt vor westlichen Werten und die Integration in westliche Gesellschaften wird als Kniefall vor dem Westen, dem Christentum oder dem Laizismus gebrandmarkt und als Bedrohung der muslimischen Identität dargestellt. Mit dieser "Wir-gegen-sie"-Mentalität stellen sich radikale Prediger gegen die gesellschaftliche Integration der Gläubigen.

Fundamentalistische Moscheen sind oft Treffpunkt frustrierter Flüchtlinge

Während in europäischen Staaten Religion und Staat getrennt sind, lehnen dies die islamische Akteure strikt ab. Sie fordern einen Gottesstaat, in dem sich jede staatliche Autorität aus der wörtlichen Auslegung des Korans ableitet. Ein Beispiel: Katar, dessen Staatsreligion ein fundamentalistischer Islam ist und das die Scharia als Hauptquelle seiner Gesetzgebung heranzieht, unterstützt seit Jahren die Muslimbruderschaft und die Hamas. Die neuen Projekte des flächenmäßig sehr kleinen, aber finanziell potenten öl- und erdgasreichen Emirats: Die größte skandinavische Moschee in Malmö für 2000 Personen wurde soeben eröffnet. Kostenpunkt: drei Millionen Euro. In Florenz wird ein historisches Anwesen zur Moschee umgebaut für erstaunliche 30 Millionen Euro. Ähnliche Projekte gibt es in Spanien, Dänemark, Frankreich und auch in Deutschland. Wer zahlt, der bestimmt in der Regel, und so wäre es illusorisch zu glauben, dass die Gönner nicht auch auf die religiöse Ausrichtung und die Auswahl der Prediger in den von ihnen finanzierten Moscheen maßgeblichen Einfluss nehmen werden.

Natürlich sind die Moscheen, in denen ein fundamentalistischer Islam gepredigt wird, auch Auffangbecken für all die frustrierten Flüchtlinge, die sich auf den Weg nach Europa gemacht haben, nur um zu sehen, dass hier ihre Träume nicht (oder nicht so schnell) in Erfüllung gehen. Moscheen mit Radikal-Predigern sind Brutstätten von Radikalen und potenziellen Terroristen. Sie sind auch Rückzugsraum für all jene, die radikale Organisationen im Zuge der Flüchtlingstrecks nach Europa geschickt haben, um Attentate zu planen.

Die Zahl der Salafisten in Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren verdoppelt. Die Zahl der Gefährder steigt rapide. Das ist auch kein Wunder. Deutschland macht es islamistischen Attentätern einfach. Mitarbeiter des Bundesamts für Migration sind zu überlastet oder nicht ausgebildet, um die Identität von Flüchtlingen zu kontrollieren. Immer wieder werden Fälle von angeblichen Flüchtlingen bekannt, die sich unter mehreren Identitäten in Deutschland aufhalten.

Wir wissen also nicht, wer sich unter all die Flüchtlinge aus Syrien und Irak eingeschlichen hat, um sich in Deutschland mit gefälschter Identität aufzuhalten. Das Risiko, dass sich darunter Terroristen befinden, ist hoch, ebenso die Gefahr, dass diese Terroristen im Umfeld der vom Ausland finanzierten Radikal-Moscheen Unterstützung erfahren. Deshalb muss Deutschland dringend seine Sicherheitsarchitektur überdenken und Maßnahmen ergreifen, die es ermöglichen, die wahren Identitäten von Flüchtlingen herauszufinden. Wir schulden es unseren Bürgern, die zu Recht von der Politik ein Leben in Sicherheit fordern, wir schulden es aber auch all den Flüchtlingen, die ihr Leben aus den Schlachtfeldern von Syrien und Irak retten konnten und Sicherheit für sich und ihre Kinder in Deutschland suchen.

Es geht nicht darum, die Ausübung der islamischen Religion zu beschränken. Es geht darum, alle Muslime zu unterstützen, die unsere westlichen Grundwerte respektieren und bereit sind, sich in unsere Gesellschaften zu integrieren. Soll sich auf Dauer in Europa ein islamisches Glaubensverständnis entwickeln, das friedlich und mit unseren Werten vereinbar ist, so müssen die liberalen Kräfte in den Moscheen gestärkt werden. Dafür bedarf es moderner Islamwissenschaften, der Ausbildung von Klerikern in Europa und des intensiven Dialoges mit den Repräsentanten islamischer Glaubensgemeinschaften.

Europa muss dem Import fundamentalistischer Ideologien aus der Golfregion oder der Türkei entschieden entgegenwirken. Deshalb muss dieser negative Einfluss aus dem Ausland auf die Gemeinschaft der hier lebenden Muslime unterbunden werden. Die Finanzierung radikaler Prediger oder Moscheen, in denen fundamentalisches und rückwärtsgewandtes Ideengut gepredigt wird, muss beendet werden. Um das zu erreichen, muss die Finanzierung von Moscheen aus dem Ausland völliger Transparenz unterliegen. Nur so können wir das Entstehen radikaler und integrationsfeindlicher muslimischer Parallelgesellschaften mit hohen Gefahren für die Sicherheit in Europa vermeiden.

© SZ vom 13.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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