Außenansicht:Vorsicht vor Chinas Geld

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Mit einer neuen Bank gewinnt die Volksrepublik global an Einfluss. Deutschland muss auf strengen Standards bestehen.

Von Korinna Horta

Mit der Gründung der neuen Asiatischen Infrastruktur-Investitions-Bank (AIIB) ist China ein globaler Coup gelungen. Schon längst spielt das Land eine wichtige Rolle in der internationalen Finanzarchitektur, jetzt steht Peking zum ersten Mal an der Spitze einer multilateralen Bank mit Beteiligung wichtiger Staaten auch aus dem Westen.

Anders als die Vereinigten Staaten und Japan sitzt Deutschland bei der AIIB mit im Boot. Ein im Schnellverfahren verabschiedetes Gesetz des Bundestags vom 5. November hat die deutsche AIIB-Mitgliedschaft besiegelt. Es geht für Deutschland um einzuzahlendes Kapital und Haftungskapital in Milliardenhöhe. Andere europäische Staaten wie Frankreich, Großbritannien, Italien werden der AIIB ebenfalls beitreten, aber mit deutlich weniger Kapital. Als wichtigstes Mitglied außerhalb Asiens und viertgrößter Anteilseigner bürgt Deutschland auch für die Glaubwürdigkeit der AIIB als multilateraler Institution.

Das bringt erhebliche Verantwortung mit sich. Die AIIB wird Anfang 2016 ihren Betrieb aufnehmen, sie hat ein Gründungskapital von 100 Milliarden Dollar. Damit will sie massiv in große Infrastrukturprojekte investieren, etwa in Transportkorridore, Bergwerke und Staudämme in Asien und Teilen Afrikas. Es ist keine Frage, dass neue Infrastruktur Lebensbedingungen verbessern kann. Wenn der Schutz der betroffenen Menschen und der Umwelt aber nicht angemessen berücksichtigt wird, sind die Risiken unüberschaubar. Beispiele gibt es viele- Zwangsumsiedlungen für Staudämme und Umweltdesaster im Zusammenhang mit Erdöl- und Bergbauprojekten. Hinzu kommt, dass die Finanzierung von Infrastruktur ohne volle Transparenz und Rechenschaftspflicht korruptionsanfällig ist und zur massiven Fehlleitung öffentlicher Mittel führen kann. Dies droht bei der AIIB.

Chinas Auslandsinvestitionen haben oft negative Folgen, besonders was Menschen- und Arbeitsrechte, Umweltschutz und saubere Geschäftsführung angeht. Beispiel Myanmar: Im Bergstaat Kachim wurde der Bau des riesigen Myitsone-Staudamms am Irrawaddy-Fluss, der Lebensader des Landes, gestoppt. Der Grund waren massive Proteste der Bevölkerung gegen ihre Zwangsumsiedlungen und die Zerstörung von Umwelt und Lebensgrundlagen. Der von Myitsone produzierte Strom hätte zu 90 Prozent nach China exportiert werden sollen. Beispiel Ecuador: Dort hat sich China etwa 90 Prozent der Erdölexporte gesichert. Damit will das Land seine Kredite an China zurückzahlen, die es zum Teil für höchst fragwürdige - und von China gebaute - Projekte eingesetzt hat. Unter ihnen das riesige Coca-Codo-Sinclair-Wasserkraftwerk, das einen der Naturschätze Ecuadors, den San-Rafael-Wasserfall, und das Naturschutzgebiet Sumaco bedroht und bei dem ein Bauunfall 2014 zum Tod von 13 Arbeitern geführt hat.

Wird die AIIB anders verfahren? Das scheint das verantwortliche Finanzministerium zu hoffen. Es begründete den deutschen Beitritt damit, sich für den Aufbau der besten Standards und Praktiken bei der AIIB einsetzen zu wollen. Hier muss Deutschland konsequent sein. Wie wichtig das ist, zeigt das bislang unscharfe Regelwerk der AIIB: Sie stellt sich selbst als eine Bank dar, die " lean, clean & green" sein wird. Aber Zweifel sind angebracht. Im August veröffentlichte die AIIB einen Entwurf ihrer Umwelt- und Sozialstandards, der zwar die Schlagworte von nachhaltiger Entwicklung, Umweltschutz und Transparenz enthält, der aber wenig verbindliche Regeln und dafür viele Lücken aufweist.

Schon die öffentliche Konsultation zu diesem Entwurf liegt weit unter dem Niveau der von der Bundesregierung angestrebten "besten Praktiken". Sie begnügt sich mit kurzfristig angesetzten Telefonkonferenzen, die nur auf Englisch stattfinden. Ganz anders das Verhalten der künftigen AIIB-Wettbewerber Weltbank und Asiatische Entwicklungsbank: Sie veranstalten für die Überarbeitung ihrer Standards zahlreiche Treffen in allen Weltregionen und bemühen sich zumindest darum, Stimmen aus der potenziell betroffenen Bevölkerung zu hören. Die Zivilgesellschaft, insbesondere in Asien, fühlt sich durch das Vorgehen der AIIB übergangen und sieht dies als ein Zeichen dafür, wie wenig künftige AIIB-Investitionen auf die Bedürfnisse von Mensch und Umwelt Rücksicht nehmen könnten. Pekings wachsende Repression gegen Menschenrechtsanwälte, Journalisten und andere kritische Stimmen im eigenen Land wirft einen weiteren Schatten auf die von China dominierte AIIB.

Fließen deutsche Steuern auf Umwegen in den Bau von Atomkraftwerken?

An wichtigen Stellen fehlt es der AIIB an nachvollziehbaren und kontrollierbaren Standards für ihre Arbeit. Noch hat sie keine Richtlinien dafür, wie sie Informationen zu Projekten öffentlich machen will. Gleiches gilt für die Frage der öffentlichen Rechenschaftslegung. Auch die Finanzierung von Kohle- und Atomkraftprojekten ist bei der AIIB nicht ausgeschlossen. Im Gegensatz dazu erlaubt etwa die Weltbank Beteiligungen an neuen Kohlekraftwerken nur noch in Ausnahmefällen und lehnt Atomprojekte grundsätzlich ab. Über die AIIB könnte Deutschland durch die Hintertür also wieder Atomkraftwerke mitfinanzieren, was bei den staatlichen Hermes-Bürgschaften seit 2014 ausgeschlossen ist. Die Förderung neuer Kohleprojekte wäre zudem klimapolitisch fatal.

Die deutsche AIIB-Mitgliedschaft verspricht ein großes Potenzial für die Exportwirtschaft. Aber eine Diskussion über das Risiko, dass deutsche Steuern an Umweltzerstörung, Menschenrechtsverletzungen und korrupten Geschäften beteiligt werden könnten, hat zumindest öffentlich nicht stattgefunden. Die Verabschiedung des Gesetzentwurfs zum deutschen AIIB-Beitritt wurde immerhin von einer interfraktionellen Erklärung begleitet. Darin fordert der Bundestag die Regierung dazu auf, möglichst hohe Umwelt-, Sozial-, Menschenrechts und Governance-Standards bei der AIIB durchzusetzen. Das gleiche gilt für Standards zu Transparenz und Rechenschaftspflicht, die zumindest denen der Weltbank entsprechen sollen.

Das gibt der Bundesregierung einen klaren Auftrag. Damit diese Forderungen nicht im Sande verlaufen, muss der Bundestag den Prozess weiter begleiten und auf regelmäßige Berichte zur Durchsetzung dieser Standards und zu den AIIB-finanzierten Vorhaben bestehen. Die Zeiten sollten vorbei sein, in denen solche Informationen unter Verschluss gehalten werden. So veröffentlicht die amerikanische Regierung, wie sie bei der Weltbank abstimmt. Dem sollte die Bundesregierung folgen. Der Einstieg bei der AIIB bietet jetzt die Gelegenheit, nicht nur Transparenz bei der AIIB einzufordern, sondern auch bei uns umzusetzen.

© SZ vom 23.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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