Außenansicht:Die Machtlosen und die Macht

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Robert J. Shiller, 70, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Yale, ist Träger des Wirtschaftsnobelpreises von 2013. Copyright: Project Syndicate, 2016. (Foto: Michelle McLoughlin/Reuters)

Warum Donald Trump kaum in der Lage sein wird, die Erwartungen seiner Wähler zu erfüllen.

Von Robert J. Shiller

Der designierte US-Präsident Donald Trump machte Wahlkampf mit dem Versprechen, die Steuern für Top-Verdiener dramatisch zu senken. Die meiste Unterstützung bekam er aber von Menschen mit durchschnittlichem und stagnierendem Einkommen sowie geringem Bildungsgrad. Wie das?

Trumps Sieg scheint klar in einem Gefühl wirtschaftlicher Machtlosigkeit oder der Angst vor Machtverlust unter seinen Anhängern begründet zu sein. Für sie hörte sich sein simpler Slogan "Amerika wieder groß machen" an wie " Euch wieder groß machen": Die Massen bekommen wieder wirtschaftliche Macht, ohne sie den bereits Erfolgreichen zu nehmen. Menschen auf der Schattenseite der Ungleichheit wollen in der Regel nichts, das wie Almosen aussieht. Typischerweise geht es ihnen nicht darum, dass die Reichen Strafsteuern zahlen. Umverteilung fühlt sich erniedrigend an. So, als würde man zum Versager abgestempelt. Es fühlt sich an, als wäre man in einer Abhängigkeitsbeziehung gefangen, die jeden Moment zerbrechen könnte. Bitterarme Menschen akzeptieren Almosen, weil ihnen nichts anderes übrig bleibt. Wer sich jedoch zumindest als Angehöriger der Mittelschicht versteht, wünscht etwas anderes. Solche Menschen möchten vor allem ihre Wirtschaftskraft zurück. Sie wollen die Kontrolle über ihr wirtschaftliches Wohlergehen selbst in der Hand haben.

Im 20. Jahrhundert politisierten die Kommunisten wirtschaftliche Ungleichheit, sorgten aber gleichzeitig dafür, dass ihre Agenda keinesfalls als Wohltätigkeit für die weniger Erfolgreichen interpretiert werden konnte. Es war von entscheidender Bedeutung, dass sie durch eine Revolution an die Macht kamen, im Rahmen derer die Arbeiter ein Gefühl der Ermächtigung hatten. Die Unterstützer Trumps bezeichnen seinen Triumph auch als Revolution, obwohl sich die Gewalt dabei - zumindest im Rahmen des Wahlkampfs - auf Beschimpfungen und Beleidigungen beschränkte. Doch das Ganze war offensichtlich böse genug, um jene zu inspirieren, die Aggressivität als Machtbeweis deuten.

Menschen streben nicht nur in Amerika mehr nach beruflichem Erfolg als einfach nach Geld. Es fühlt sich in keinem Land richtig an, auf wachsende wirtschaftliche Ungleichheit mit mehr Steuern für Reiche zu reagieren, deren Ertrag dann anderen zukommt. Das hat einen Beigeschmack, so als würde man nach Ende des Spiels die Spielregeln ändern.

Die Landbewohner sind wütend auf die Privilegierten in den Städten

In ihrem jüngst erschienenen Buch ziehen die Autoren Kenneth Scheve ( Universität Stanford) und David Stasavage (New York University) Daten zu Steuersätzen und Einkommensungleichheit aus mehr als 200 Jahren heran. Dabei stellten sie fest, dass Regierungen kaum oder gar nicht bereit waren, ein progressiveres Steuersystem einzuführen, wenn die Ungleichheit von Steuern zunahm. Die Autorin Katherine Cramer untersuchte den Bundesstaat Wisconsin, wo sich Gouverneur Scott Walker - ähnlich wie Trump - bei den Wählern aus der Arbeiterschicht großer Beliebtheit erfreut. Nach seiner Wahl im Jahr 2010 senkte Walker die Steuern auf höhere Einkommen; er weigerte sich, den Mindestlohn des Bundesstaates über die national geforderte Untergrenze anzuheben; und er lehnte die durch Präsident Barack Obama geschaffene Gesundheitsreform von 2010 ab, durch die sich Menschen mit niedrigeren Einkommen hätten versichern können. Stattdessen versprach Walker Maßnahmen, die die Gewerkschaften schwächten und so wahrscheinlich zur Senkung der Löhne führen würden.

Cramer interviewte Wähler aus der Arbeiterschicht in ländlichen Gebieten Wisconsins und versuchte zu verstehen, warum sie Walker unterstützten. Cramers Gesprächspartner betonten die Werte auf dem Lande und ihr Bekenntnis zu harter Arbeit, die eine Quelle des persönlichen Stolzes und der Identität bilden. Sie hoben allerdings auch ihr Gefühl der Machtlosigkeit gegenüber denjenigen hervor, die in ihrer Wahrnehmung ungerecht bevorzugt werden. Cramer zog daraus den Schluss, dass die Unterstützung für Walker inmitten des evidenten wirtschaftlichen Niedergangs Ausdruck einer extremen Wut der ländlichen Bevölkerung auf privilegierte Menschen in den Großstädten ist, von denen sie vor Walkers Wahl nur als Steuerzahler wahrgenommen, aber ansonsten ignoriert wurden. Und ihre Steuern wurden teilweise dafür verwendet, Kranken- und Rentenversicherungen für öffentlich Bedienstete zu bezahlen, also für Leistungen, die sie sich selbst oft nicht leisten konnten. Diese Menschen wollten Macht und Anerkennung, die ihnen Walker offenbar bot.

Solche Wähler fürchten sich auch ziemlich sicher vor den Folgen der Informationstechnologie auf Arbeitsplätze und Einkommen. Bei den wirtschaftlich Erfolgreichen von heute handelt es sich tendenziell um technisch Versierte und nicht um Menschen, die in den ländlichen Gebieten Wisconsins (oder ländlichen Gebieten anderswo) leben. Diese Wähler aus der Arbeiterschicht spüren den Verlust ihres wirtschaftlichen Optimismus. Dennoch wollen sie bleiben, wo sie sind, und ihre eigenen Leute bewundern sowie ihre eigenen Werte hochhalten.

Trump spricht die Sprache dieser Wähler, aber seine Vorschläge gehen den Machtverlust, unter dem sie leiden, nicht an. Er forciert Steuersenkungen, die seiner Ansicht nach eine neue Welle des Unternehmergeistes auslösen werden, und er will Handelsabkommen protektionistischer machen, um die Arbeitsplätze in Amerika zu halten. Es ist unwahrscheinlich, dass man so wirtschaftliche Macht zu den Benachteiligten verschiebt. Im Gegenteil: Für Unternehmer ist es noch einfacher, Jobs durch Computer und Roboter zu ersetzen; Protektionismus könnte Vergeltungsmaßnahmen, politische Instabilität und letztlich sogar Kriege nach sich ziehen.

Um seine Wähler zufriedenzustellen, muss Trump nun Wege finden, nicht nur Einkommen, sondern auch die Kontrolle über Einkommen umzuverteilen, und dies nicht nur durch Steuern und Ausgaben. Zu dieser Frage hat er sich allerdings kaum geäußert. Die wichtigsten Triebkräfte für die wachsende Ungleichheit sind Innovationen und weltweit sinkende Transportkosten. Daran kann Trump nichts ändern.

Verweigern sich diejenigen, denen es an der heute notwendigen Qualifikation mangelt, der Umverteilung, ist schwer erkennen, wie Trump deren Lage verbessern kann. Mit der Trump-Revolution, wie sie sich bislang zeigt, ist es höchst unwahrscheinlich, das zu erreichen, was seine Anhänger wirklich wollen: mehr wirtschaftliche Macht für die einfachen Arbeiter.

Übersetzung: Helga Klinger-Groier.

© SZ vom 05.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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