Außenansicht:Brennende Wälder

Außenansicht: Felix Creutzig, 38, leitet die Arbeitsgruppe Landnutzung am Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change und lehrt Klimawandel an der Technischen Universität Berlin.

Felix Creutzig, 38, leitet die Arbeitsgruppe Landnutzung am Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change und lehrt Klimawandel an der Technischen Universität Berlin.

(Foto: MCC)

Die EU will das Klima schützen, indem sie das Verfeuern von Holz fördert. Das aber wäre ein verhängnisvoller Irrsinn.

Von Felix Creutzig

Die EU entscheidet im Januar über die Neufassung der Richtlinie für erneuerbare Energien. Ihr Ziel ist es, ihren Anteil am Energieverbrauch bis 2030 zu verdoppeln und so den Klimaschutz voranzutreiben. Doch die Regelung könnte das Gegenteil erreichen - sie könnte den Klimawandel noch beschleunigen. Das liegt vor allem am Kleingedruckten: Werden abgeholzte Bäume verfeuert, gilt das künftig als Beitrag zum Klimaschutz.

Nun ist es sinnvoll, biologische Abfälle und Restholz, die zur Energiegewinnung verbrannt werden, als regenerative Biomasse zu zählen. Europäische Holzproduzenten erzeugen seit Jahrzehnten Elektrizität und Wärme aus Holzabfällen und Waldrestholz. Werden fossile Brennstoffe durch solche Holzabfälle ersetzt, kann dadurch in begrenztem Maß der CO₂-Ausstoß sinken, da ein Großteil dieses Materials sich nach einigen Jahren ohnehin zersetzen würde und dabei Kohlendioxid frei würde.

Brüssel strebt allerdings an, dass auch im Kraftwerk verfeuerte Baumstämme und Stümpfe als Bestandteil der 2030-Ziele für erneuerbare Energien zählen. Damit werden neue Anreize geschaffen, ganze Wälder abzuholzen. Die Experten rechtfertigen das damit, dass diese Wälder bei ihrer Verbrennung zwar viel CO₂ freisetzen, während ihres Wachstums aber auch viel davon binden. Diese Behauptung ist jedoch mit Blick auf mehrere wissenschaftliche Studien nicht haltbar. Problematisch sind zum Beispiel Emissionen, die entstehen, wenn Holz verarbeitet und transportiert wird. Wichtiger noch ist ein zeitlicher Aspekt: Neue Bäume brauchen Jahrzehnte, um zu wachsen und das Kohlendioxid in der Atmosphäre zurückzugewinnen.

Wenn künftig ganze Wälder gerodet werden dürften, hätte das schwerwiegende Auswirkungen auf den Klimawandel. Die Gründe dafür beginnen bereits bei der Holzernte: Typischerweise besteht ein Baum zu einem Drittel oder mehr aus Wurzeln und kleinen Ästen. Diese aber bleiben bei der Rodung zum Schutz der Böden im Erdreich zurück. Über die Jahre zersetzen sich diese Wurzeln und Äste dann. Dabei wird CO₂ freigesetzt, das bei der Klimaschutzbilanz unter den Tisch fällt.

Noch stärker zu Buche schlägt, dass beim Verbrennen von Holz sogar mehr Kohlendioxid je erzeugter Kilowattstunde ausgestoßen wird als beim Verfeuern von Kohle. Die Schornsteine eines Holzspäne-Kraftwerks stoßen anderthalb Mal mehr CO₂ aus, als wenn Kohle genutzt würde. Hinzu kommt: Die europäische Nachfrage könnte gar nicht aus der Region bedient werden. Denn die Holzernte deckt gerade einmal rund sechs Prozent des Primärenergieverbrauchs. Wenn aber die Holzverbrennung ein Drittel der zusätzlichen erneuerbaren Energien bis 2030 liefern soll, müsste Europa eine Holzmenge verbrennen, die weit höher ist als die gesamte derzeitige Ernte. Dieser Bedarf könnte nur aus Übersee gedeckt werden. Somit würden Wälder auf der ganzen Welt bedroht.

Europa würde Asien und Südamerika ermuntern, noch mehr Urwald abzuholzen

Sollten andere Länder dem Beispiel Europas folgen, wären die negativen Auswirkungen auf die Atmosphäre sowie die Tier- und Pflanzenwelt noch weit gefährlicher. Um nur zusätzliche drei Prozent des weltweiten Energiebedarfs durch Holz zu decken, müsste die Welt die kommerziellen Holzernten verdoppeln. So würde Europa Asien und Südamerika ermuntern, noch mehr Wälder abzuholzen, statt beispielsweise Indonesien und Brasilien zu ermutigen, ihre tropischen Wälder zu bewahren. Nachhaltigkeitsstandards der EU sorgen zwar dafür, dass Biomasse aus Wäldern mit hoher Biodiversität nicht als erneuerbare Energie im Sinne der Richtlinie zählt. Der Druck auf wertvolle Waldgebiete dürfte dennoch steigen.

Selbst wenn die Holzernte auf Länder mit Wäldern beschränkt würde, die netto wachsen, würden der Atmosphäre große Mengen an CO₂ zugeführt, das die Wälder andernfalls binden würden. All diese Aspekte zusammengenommen führen zu einer erschreckenden Bilanz: Die Richtlinie für erneuerbare Energien lässt den energiebezogenen CO₂-Ausstoß der EU bis 2050 steigen, statt ihn zu senken.

Diese Bilanz kann auch durch massive Aufforstungen nicht wettgemacht werden. Zwar würde dadurch Kohlendioxid absorbiert. Aber Waldbestände in dem benötigten gigantischen Ausmaß wachsen mit Blick auf den rasanten Klimawandel schlicht zu langsam. Abhängig von Art und Nutzung des Waldes dauert es Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte, bis er wieder mehr CO₂ absorbiert, als bei der Verbrennung seiner Bäume freigesetzt wurden. Es wäre also wichtig, natürliche Wälder und Feuchtgebiete zu schützen und aufzuforsten, um den rasch voranschreitenden Artenverlust zu bremsen und Kohlendioxid aus der Atmosphäre in Wäldern zu binden.

Deshalb sollte die EU ihre Richtlinie überdenken; das fordern auch mehr als 500 Wissenschaftler in einem offenen Brief. Eine Lösung für den Klimaschutz kann nicht in "brennenden Wäldern" bestehen. Das zeigt auch die Geschichte: Bis zum Jahr 1850 wurde Westeuropa nahezu vollständig entwaldet, weil Holz für die Energieproduktion verwendet wurde - und das zu einer Zeit, als die Europäer noch relativ wenig Energie verbrauchten.

Die Lösung könnte darin bestehen, die zur Energieerzeugung geeignete Waldbiomasse auf ihre traditionellen Quellen zu beschränken: auf Holzabfälle. Dazu reicht ein zusätzlicher Satz in der EU-Richtlinie: "Baumstämme und Stümpfe gelten nicht als erneuerbare Energien im Sinne der Richtlinie." Darüber hinaus wäre es wünschenswert, neue sinnvolle Prinzipien zu etablieren. So sollte das Verbrennen von Biomasse mit Blick auf die CO₂-Emissionen genauso behandelt werden wie Kohle und Gas. Ein einheitlicher Preis für alle Kohlendioxid-Emissionen ist hierfür das ideale Instrument. Für jede Tonne CO₂ sollte ein stetig steigender Mindestpreis entrichtet werden müssen, angefangen bei 30 Euro. Im Gegenzug könnten dann Biomassebauern mit einer glaubwürdigen Zertifizierung nachweisen, dass ihre Produkte tatsächlich klimaneutral sind. Für jedes Zertifikat könnten die Biomassebauern dann Einnahmen generieren. Mit einem solchem System würden Anreize geschaffen, nur noch klimafreundliche Biomasse zu produzieren.

Und die Forstwirtschaft? Auch sie kann eine wichtige Rolle beim Klimaschutz übernehmen. Statt Bäume als Brennholz herzugeben, könnte das Holz viel sinnvoller als Baumaterial für Häuser und Möbel verwendet werden. Damit würde das CO₂ der Atmosphäre langfristig entzogen. Außerdem: Holz als Baumaterial ersetzt auch klimaschädlichen Zement und schädlichen Stahl. Lieber Holz als modern genutztes Baumaterial statt Holz als Brennstoff für Großkraftwerke.

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