Atomkraftwerke:Regierung misstraut alten Reaktoren

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Acht der 17 Atomkraftwerke in Deutschland haben technische Mängel - vor allem bemängeln Experten den fehlenden Schutz vor Flugzeugabstürzen und Erdbeben.

C. Schrader

In der Debatte über die Sicherheit deutscher Atomkraftwerke ist das Alter der Atommeiler in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt. Die Bundesregierung hat die Ausstattung der Reaktoren mehrmals verglichen und gibt technische Defizite zu. Besonders die zwischen 1974 und 1983 in Betrieb genommenen Reaktoren haben schlechter abgeschnitten als jüngere Anlagen.

Mahnwache in Krümmel: An der Sicherheit der deutschen Kernkraftwerke gibt es immer mehr Zweifel. (Foto: Foto: ddp)

So heißt es in einer Antwort der Regierung auf eine Anfrage von Grünen-Abgeordneten im Oktober 2007: "Die neueren Siedewasserreaktoren sowie die Druckwasserreaktoren der dritten und vierten Generation haben grundsätzlich bessere Sicherheitseigenschaften." Etliche ältere Anlagen, so hatte die Regierung schon 2006 festgestellt, "entsprechen nicht dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik".

Klare Unterscheidung

Die Bundesregierung unterscheidet damit zwischen acht älteren und neun jüngeren Reaktoren. Die älteren sind zum einen die Siedewasserreaktoren der sogenannten Baulinie 69: Brunsbüttel, Isar-1, Philippsburg-1 und der vor kurzem nach einem Trafoschaden abgeschaltete Reaktor in Krümmel. Zum anderen gehören dazu Druckwasseranlagen der sogenannten Baulinie 2: Biblis-A und -B, Neckarwestheim-1 und Unterweser. Bis auf Isar-1 haben sie alle in jedem Jahr ihres Betriebs im Mittel zehn bis vierzehn meldepflichtige Zwischenfälle gehabt, während die Zahl bei jüngeren Reaktoren zwischen vier und neun liegt.

Bürgerinitiativen und Umweltverbände üben daher an den acht älteren Reaktoren die meiste Kritik. Zuletzt hatte der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) gefordert, die acht Meiler vom Netz zu nehmen. "Die Atomaufsichtsbehörden müssen die Betriebsgenehmigungen sofort widerrufen", sagte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) möchte sich in der Bundestagswahl das Mandat für das Ende dieser Reaktoren holen.

Nicht modern und sicher

Die Energiekonzerne hingegen versuchen gerade ihre ältesten Anlagen zu retten, die aufgrund des Atomausstieg-Gesetzes zuerst abgeschaltet werden sollten. Teilweise haben sie erfolglos mit dem Ziel geklagt, Reststrommengen von jüngeren auf ältere Meiler übertragen zu dürfen. Der Vorstandschef des Stromkonzerns RWE, Jürgen Großmann beharrte in Bild: "Die Kernkraftwerke in Deutschland arbeiten alle auf höchstem internationalen Niveau."

Das sieht die Bundesregierung anders; gerade für Biblis-A und -B sowie Brunsbüttel findet sie wenig freundliche Worte: "Sie gehören nicht zu weltweit hochmodernsten und sichersten Atomkraftwerken", heißt es in einer Antwort an Bundestagsabgeordnete. Biblis-A und Brunsbüttel seien schlechter gegen Terrorangriffe mit Passagierflugzeugen geschützt als manche Anlagen im Ausland. Die Sicherheitssysteme von Biblis-B entsprächen nicht "dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik".

Diese Formulierung ist ein Schlüsselbegriff. Das Atomgesetz und das Bundesverfassungsgericht schreiben ihn für Kernkraftwerke vor, doch bei laufenden Anlagen gilt Bestandsschutz. Die Hürden für die Genehmigung haben sich zwischen den 1960er und 1980er Jahren, als die deutschen Kernkraftwerke geplant und gebaut wurden, verändert. "Aber die älteren Anlagen haben die technische Entwicklung auch nicht ignoriert", sagt Reinhard Stück von der Gesellschaft für Reaktorsicherheit, die den Bundesumweltminister berät. "Sie wurden nachgerüstet, wo es möglich war, wenn auch die Systeme nicht identisch zu neueren Kernkraftwerken sind."

In manchen Fällen aber ist eine Nachrüstung kaum möglich, etwa bei der Dicke der Reaktorkuppel, die vor Flugzeugabstürzen schützen soll. Kein Reaktor in Deutschland ist gegen einen Terrorangriff wie am 11. September 2001 in New York ausgelegt, die ältesten sind nicht einmal vor dem Crash eines Militärjets geschützt. Atomkraftkritiker verweisen zudem auf grundsätzliche Fehler vieler Anlagen, "die sich auch mit neuester Technik nicht heilen lassen", sagt Gerd Rosenkranz von der Deutschen Umwelthilfe. Sie betreffen Notkühlsysteme, Notstromaggregate oder den Schutz vor Erdbeben.

© SZ vom 9.7.2009/vw - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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