Atomkraft:Weicher Stahl

Ein Materialfehler beim Druckbehälter lässt erhebliche Zweifel an neuen Reaktoren aufkommen.

Von Christopher Schrader

Nur im Märchen ist Schmiedekunst perfekt. Siegfried bekommt in den nordischen Sagen der Edda vom Schmied Reginn das Schwert Gram, um den Drachen Fafnir zu töten. Wenn es heute überhaupt noch Drachen gibt, dann hausen sie in den Reaktorbehältern der Atomkraftwerke. Die Kernspaltung entfacht dort Gewalten, die sich nur mit bestem, überaus sorgfältig geschmiedetem Stahl eindämmen lassen. Das Metall muss Hitze, Druck und radioaktive Strahlung aushalten; deswegen werden zu Recht die höchsten Anforderungen an die Qualität des Stahls gestellt.

An diesen Standards ist nun der französische Staatskonzern Areva bei seinem Vorzeigeprojekt blamabel gescheitert. Beim bereits eingebauten Deckel des Druckbehälters im Reaktor Flamanville gibt es ernste Zweifel an der Widerstandsfähigkeit des Stahls. Areva hat das Material nicht ausreichend getestet und Hinweise auf Schwächen ignoriert. Die französische Atomaufsicht hat womöglich nicht beharrlich genug nachgefragt. Neben Flamanville stehen nun Bauprojekte in England und China infrage.

So entlarven Fehler und Nachlässigkeiten der Reaktorbauer das Gerede von der nuklearen Renaissance. So schön ein neues Reaktordesign und eine verbesserte Sicherheitsarchitektur auf dem Papier aussehen - offenbar lassen sich beim Bau solcher Apparaturen nicht einmal banale Handwerksfehler vermeiden. Der Drache im Reaktor aber braucht nur eine winzige Schwachstelle, um auszubrechen.

© SZ vom 11.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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