Athen:Tsipras: Ich wollte Desaster vermeiden

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Im Fernsehen wirbt der Premier trotz persönlicher Zweifel für das Reform-Abkommen.

Von Mike Szymanski, Istanbul

Wenige Stunden vor den wichtigen Abstimmungen im griechischen Parlament über erste Reformgesetze hat der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras eindringlich für das dritte Hilfspaket der europäischen Gläubiger geworben. Er verteidigte das Abkommen mit den Geldgebern. "Ich trage die Verantwortung für einen Text, an den ich nicht glaube, aber den ich unterzeichnet habe, um ein Desaster für das Land zu vermeiden", sagte er im Interview mit dem Sender ERT. Die Nacht des Euro-Gipfels sei schlecht für Europa gewesen. Aber ihm, Tsipras, sei nichts anderes übrig geblieben, um sein Land und dessen Banken vor dem Kollaps zu retten. Er sehe auch keinen Grund für Neuwahlen.

Heftige Kritik übte Tsipras an der Art des Zustandekommens. Die Vereinbarung sei auf Druck starker Staaten auf Griechenland zurückzuführen. Diese Art und Weise der Druckausübung "ehrt nicht die Tradition Europas", sagte Tsipras. Vor allem die Konservativen seien gegen seine Regierung gewesen. Dennoch sei für Griechenland auch Positives herausgekommen. Noch in diesem Jahr werde es eine Diskussion über die Umstrukturierung des Schuldenberges und ein Investitionsprogramm in Höhe von 35 Milliarden Euro geben. Diese Maßnahmen, wenn sie zustande kommen, könnten "einen Grexit endgültig abwenden und die Voraussetzungen für Wachstum" in Griechenland schaffen.

Tsipras' Linksbündnis Syriza steht vor einer Zerreißprobe. Mindestens 32 Abgeordnete, die dem radikalen Flügel, der Linken Plattform, zuzurechnen sind, wollen dem Premier am Mittwoch im Parlament die Gefolgschaft verweigern, wenn dort erste Reformen als Bedingung für ein neues Hilfspaket zur Abstimmung stehen. Tsipras sagte: "Ich werde alles tun, um Syriza zusammenzuhalten." Von nun an müsse jeder in seiner Partei für sich selbst entscheiden, ob er den Zusammenhalt der Linken wolle oder den Sturz dieser Regierung.

Der Anführer der Linken Plattform, Energieminister Panagiotis Lafazanis, forderte Tsipras am Dienstag auf, das Abkommen mit Brüssel aufzukündigen. Es sei noch nicht zu spät dafür, das Angebot der "sogenannten Partner" sei inakzeptabel. Vor allem Deutschland behandle Griechenland, als sei das Land eine "Kolonie". Die Drohung, die Gegner von Tsipras' Kurs aus der Regierung oder dem Parlament zu drängen, hat bislang nur dazu geführt, dass die Kritiker von Tag zu Tag selbstbewusster auftreten. Am Dienstagabend traf sich die Linke Plattform mit ihren Anhängern in einem Athener Hotel, um über die Lage zu beraten.

In der Regierungskoalition hat man sich offenbar bereits damit abgefunden, bei der Abstimmung am Mittwoch im Parlament auf die Stimmen der Opposition angewiesen zu sein. "Die Mehrheit für das Paket steht - wie auch immer sie aussieht", sagte ein Syriza-Funktionär.

Innenminister Nikos Voutsis sagte, die Abstimmung werde kein Problem: "Die Menschen vertrauen Tsipras und der Regierung." Wirtschaftsminister Giorgos Stathakis sagte am Dienstag, Tsipras werde wahrscheinlich nach der Parlamentsabstimmung am Mittwoch das Kabinett umbilden.

© SZ vom 15.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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