Arbeitsrecht:Ungeliebt und teuer

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Der Ferienflieger Sun Express, Teil des Lufthansa-Geflechts, will einen Betriebsrat für seine Piloten und Flugbegleiter gerichtlich verhindern. Die Gewerkschaften empören sich, scheuen aber vor einem Arbeitskampf zurück.

Von Detlef Esslinger, München

Auch vor Arbeitsgerichten gibt es gewöhnliche und ungewöhnliche Termine. Gewohnt sind die Richter, dass Arbeitnehmer bei ihnen die Gründung eines Betriebsrats durchsetzen wollen; gegen die Schikanen eines Arbeitgebers. Ungewohnt hingegen ist, dass in einem solchen Konflikt der Arbeitgeber klagt. Am Mittwoch ist dies bei dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main der Fall. Der Ferienflieger Sun Express - den viele Deutsche für Urlaubsreisen nach Ägypten, Griechenland und die Türkei nutzen - hat eine einstweilige Verfügung beantragt. Er will verhindern, dass seine Piloten und Flugbegleiter einen eigenen Betriebsrat gründen. Der Antrag dürfte Chancen haben.

Denn juristisch hat Sun Express durchaus Argumente. Zwar legt das Betriebsverfassungsgesetz gleich im ersten seiner 132 Paragrafen fest, dass in Betrieben mit mindestens fünf Arbeitnehmern Betriebsräte gewählt werden. Und der Flugbetrieb von Sun Express Deutschland beschäftigt 1150 Menschen. Aber das Gesetz enthält auch den weithin unbekannten Paragrafen 117. Der lautet: "Für im Flugbetrieb beschäftigte Arbeitnehmer von Luftfahrtunternehmen kann durch Tarifvertrag eine Vertretung errichtet werden."

In Alltagsdeutsch übersetzt: Während etwa bei BMW oder fürs Bodenpersonal von Sun Express Deutschland ein Betriebsrat vorgeschrieben ist, braucht es im Flugbetrieb der Firma eine besondere Voraussetzung dafür - nämlich einen Tarifvertrag zwischen einer Gewerkschaft und dieser Firma. Er müsste Ausstattung, Kompetenzen und Wahl einer Personalvertretung regeln. Einen solchen Tarifvertrag gibt es bei der Lufthansa (der Sun Express gemeinsam mit Turkish Airlines gehört); nicht jedoch hier. Die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit sowie die Unabhängige Flugbegleiter-Organisation (UFO) verlangen ihn seit Jahren. Sun Express lehnt aber jedes Gespräch dazu ab.

Warum, dazu möchte sich die Firma offenbar nicht äußern. Eine Anfrage der SZ blieb jedenfalls unbeantwortet. Branchenkenner vermuten als Grund: Den türkischen Mitgesellschaftern ist die hiesige Mitbestimmungskultur sehr fremd - und den deutschen von der Lufthansa ist nach all den Konflikten mit ihren Piloten die Lust vergangen, bei ihrem Partner dafür zu werben. Aus der Antragsschrift von Sun Express an das Arbeitsgericht geht hervor, dass die Firma in einem Betriebsrat keine Investition ins Betriebsklima oder in die Kompetenz der Mitarbeiter sieht, sondern etwas ganz anderes. Ihre Anwälte rechnen vor, was Piloten und Flugbegleiter verdienen; wie viele man im Falle ihrer Wahl zum Betriebsrat von ihrer eigentlichen Arbeit freistellen müsste, unter Fortzahlung der Bezüge, und was dies pro Jahr kosten würde - 750 000 Euro. Die Anwälte nennen das "einen Schaden".

Sollten die beiden Gewerkschaften vor Gericht verlieren und dennoch einen Betriebsrat durchsetzen wollen, bliebe ihnen eine Alternative: Mit Streikdrohungen und Streiks könnten sie versuchen, den vom Gesetz genannten Tarifvertrag zu erzwingen. Davor scheuen sie indes zurück; UFO weist darauf hin, dass fast die Hälfte der Sun-Express-Flugbegleiter nur befristete Verträge habe. Solchen Arbeitnehmern ist ein Streik oft zu riskant. So beschränken sich die Gewerkschaften vorerst auf Empörung. Markus Wahl, Sprecher von Cockpit, wirft der Firma vor, sie drücke sich "vor der sozialen Verantwortung". Nicoley Baublies, im Vorstand von UFO für die Tarifpolitik zuständig, sagt es noch drastischer: "Verhandlungen zu verweigern und dann gerichtlich gegen die Etablierung eines Betriebsrats vorzugehen, ist etwas, für das sich ein Unternehmen, das dazu im Lufthansa-Konzern angesiedelt ist, schämen sollte."

© SZ vom 17.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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