Anzeigen gegen Sarrazin:Thilos Golf-Geschäft

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Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Berlins einstigen Finanzsenator Thilo Sarrazin wegen des Verdachts der Untreue. Die Opposition frohlockt - und fragt: Was wusste Wowereit?

Wolfgang Jaschensky

Wenn Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) für seine Stadt wirbt, spricht er gerne davon, dass Berlin "arm, aber sexy" sei. Die klamme Haushaltssituation und Milliardenschulden zwingen den Senat seit Jahren zu einem harten Sparkurs. Für diesen Sparkurs stand mehr als sieben Jahre lang ein Mann: Finanzsenator Thilo Sarrazin.

Im Visier der Staatsanwaltschaft: Berlins einstiger Finanzsenator Thilo Sarrazin. (Foto: Foto: ddp)

Sarrazin, mittlerweile Mitglied im Vorstand der Bundesbank, war der "Sparmeister" und berüchtigt für seine provokanten und wenig sensiblen Sprüche. Hartz-IV-Empfängern warf der SPD-Politiker etwa vor, Energie zu verschwenden - und empfahl Pullover statt Heizung.

Jetzt ermittelt die Berliner Staatsanwaltschaft gegen Sarrazin wegen des Verdachts der Untreue. Das bestätigte deren Sprecher Martin Steltner sueddeutsche.de. "Es sind zwei private Strafanzeigen eingegangen. Wir überprüfen den Anfangsverdacht im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens auf Stichhaltigkeit." Dabei würden auch Erkenntnisse der Finanzverwaltung einfließen.

In dem Fall geht es um einen 99 Jahre laufenden Pachtvertrag des Landes Berlin für ein 56,8 Hektar großes Areal. Der Vorwurf, der seit längerem im Raum steht: Sarrazins Finanzbehörde habe bei den Vertragsverhandlungen zu wenig Geld verlangt.

Das Pikante an dem Fall: Von dem Vertrag profitiert ein Verein, der wenig mit dem Berliner "arm, aber sexy"-Image zu tun hat - sondern der älteste Golfklub der Republik ist. Der 1895 gegründete Golf- und Land-Club Berlin-Wannsee e. V., der sich zu den renommiertesten und größten in Deutschland zählt, zahlte für die Erbpacht des Grundstücks einmalig 3,045 Millionen Euro.

Opposition kritisiert übereilte Entscheidung

Der Klub wirbt mit großer Tradition, einer 27-Loch-Golfanlage und "exklusiver Lage im Südwesten Berlins". Eine Mitgliedschaft ist schwer zu ergattern, weil die Zahl der ordentlichen Mitglieder auf 1100 begrenzt ist. Für eine "zeitweilige Mitgliedschaft" im Traditionsverein werden 3230 Euro pro Jahr fällig - ohne Nebenkosten.

Trotz dieser Mitgliedsbeiträge gilt der Verein noch als gemeinnützig. Doch diesen Status könnte er bald einbüßen. Die Opposition hatte deshalb die vorzeitige Verlängerung des Pachtvertrags bereits seit geraumer Zeit scharf kritisiert.

Der Haushaltsexperte der CDU-Fraktion, Florian Graf, sagte sueddeutsche.de: "Wir haben stets davor gewarnt, einen bis 2014 bestehenden Pachtvertrag vorschnell aufzukündigen, da wurde vorsätzlich eine gute Verhandlungsposition aufgegeben."

Sarrazin hatte den Vertragsabschluss hingegen stets als gutes Geschäft für Berlin verteidigt. Auch der Geschäftsführer des Golfklubs, Michael Siebold, versteht die Aufregung nicht. Ursprünglich habe der Klub das Grundstück kaufen wollen. Gutachten hätten den regulären Verkehrswert des Grundstücks auf 3,6 Millionen Euro beziffert. Angesichts dieses Preises seien 3,045 Millionen Euro für 99 Jahre Erbpacht enorm viel Geld, so Siebold.

Sarrazins Sprüche
:"Kalt duschen ist viel gesünder"

Thilo Sarrazin hat ein Problem mit Zuwanderern: Sie seien weniger gebildet und würden sich überdurchschnittlich vermehren. Seine umstrittensten Aussagen in Bildern.

CDU-Mann Graf will das nicht gelten lassen. Frühere Gutachten hätten das Gründstück als deutlich wertvoller eingestuft. Dass jetzt gegen Sarrazin ermittelt wird, begrüßt Graf. "Ich hoffe, dass die Affäre ohne Ansehen der Personen aufgeklärt wird."

Wenn es nach der Opposition geht, sind in den Fall nämlich noch weit mehr Personen verwickelt. Allen voran: Klaus Wowereit. "Wir können uns nicht vorstellen, dass der Finanzsenator ohne Absprache mit dem Bürgermeister gehandelt hat", so Graf. Da der langjährige Clubpräsident Roland Specker als SPD-Förderer gilt, liege der Verdacht der Vetternwirtschaft nahe. Und dass Wowereit ein gern gesehener Gast im Club sei und dort die Neujahrs-Festrede gehalten habe, wie der Stern berichtete, passt da der CDU gut ins Bild.

Jetzt will die CDU-Fraktion den Senat mit einem Fragenkatalog konfrontieren und unter anderem wissen, welche Mitglieder des Senats und welche Staatssekretäre zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses Mitglied des Golfclubs waren. Geschäftsführer Siebold wollte sich dazu auf Nachfrage nicht äußern.

Staatsanwaltschaft muss genau prüfen

Ob die Staatsanwaltschaft wegen der Vorwürfe gegen Sarrazin Anklage erheben wird, ist allerdings alles andere als sicher. "Zunächst müssen wir feststellen, ob das Land überhaupt ein schlechtes Geschäft gemacht hat, dann müssen wir fragen, wer dafür verantwortlich ist und schließlich, ob ein Vorsatz vorlag", so Sprecher Steltner.

Immerhin ist die Staatsanwaltschaft schon einmal mit einer Anklage gegen Sarrazin gescheitert. Im Jahr 2004 warfen die Ermittler dem damaligen Finanzsenator vor, 1,5 Millionen Euro veruntreut und Landesgeld wie ein "Glücksspieler" in ein unsolides Projekt investiert zu haben. Damals ging es um den Kreuzberger Kulturtempel Tempodrom, der mit staatlichen Zuwendungen gebaut wurde und ständig an der Insolvenz entlangschrammte. Das Landgericht Berlin lehnte es damals aber ab, ein Hauptverfahren zu eröffnen.

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