Amerika unter Trump:Mr. Nice am Telefon

Lesezeit: 5 min

Der neue US-Präsident zeigt sich plötzlich gemäßigt: Versöhnlich gegenüber China und kritisch gegenüber Israels umstrittenen Siedlungsbau. Doch ist diese Haltung von Dauer?

Von Sacha Batthyany und Kai Strittmatter

In seinen letzten Wochen im Weißen Haus wies Barack Obama mehrmals auf die Größe des Präsidentenamtes hin. "Es formt dich", sagte er. Wer immer hinter dem Schreibtisch des Oval Office sitze, der spüre diese "unglaubliche Verantwortung und die Last der Geschichte", sagte Obama. Das Amt habe ihn demütig gemacht. Davon ist sein Nachfolger Donald Trump weit entfernt. Er hat erst angefangen und Demut ist kein Wort, das man normalerweise mit ihm assoziiert. Und doch ist es möglich, dass sich Trump am Ende seiner dritten Amtswoche zum ersten Mal unfreiwillig bewusst wurde, dass er sich im Weißen Haus befindet und nicht im Trump-Tower. Durch den Entscheid des Bundesberufungsgerichts in San Francisco, das Einreiseverbot weiterhin auszusetzen, hat Trump eine Niederlage erlitten, die ihn dran erinnert, dass er sein Land nicht führen kann wie sein Unternehmen.

Nicht, dass sich die "unglaubliche Verantwortung" und die "Größe des Amtes", wie Obama sich ausdrückte, bereits nachhaltig auf Trumps Führungsstil auswirken würden. Er besticht vor allem durch seine Unberechenbarkeit, die ihn bereits im Wahlkampf auszeichnete und die er als Geschäftsmann kultivierte - nachzulesen zum Beispiel in seinem Buch "The Art of the Deal".

Die Niederlage vor dem Berufungsgericht in San Francisco aber wird sicher nicht spurlos an ihm vorübergehen, zumal die drei Richter einstimmig entschieden, obwohl sie unterschiedlichen politischen Lagern entstammen: es gebe keinen Beweis für die Notwendigkeit des Dekrets. Staatsangehörige der von der Visasperre betroffenen Länder hätten bislang in den USA noch gar keine Attentate verübt.

"Sie bringt mich immer dazu, die richtigen Dinge zu tun", sagt Donald Trump über seine Tochter Ivanka (links), die ihn immer wieder im Wahlkampf um die Präsidentschaft unterstützte. (Foto: UPI/laif)

Zur Erinnerung: Trump verhängte am 27. Januar ein Einreiseverbot gegen Staatsangehörige aus sieben, mehrheitlich muslimischen Ländern - und knüpfte damit an eine Forderung an, die er schon im Wahlkampf erhoben hatte. Damals verlangte er ein komplettes Einreiseverbot für alle Muslime. Sein Dekret war zwar nur wenige Stunden in Kraft, die aber reichten aus, um ein Chaos zu entfachen. Hunderte Reisende wurden auf Flughäfen festgehalten, einige bei der Ankunft sogar in Handschellen abgeführt. Die Bundesstaaten Washington und Minnesota zogen gegen Donald Trumps Dekret vor Gericht und bezeichneten es als verfassungswidrig. Ein Einreiseverbot sei nicht nur diskriminierend, es würde auch Familien auseinanderreißen, junge Leute am Studieren hindern und es sei zudem für Unternehmen in ihren Staaten schädlich.

Das einstimmige Urteil aus San Francisco weist Trumps Macht in die Schranken, eine Erfahrung, die ihm so verhasst sein dürfte wie die lästigen Fragen von Journalisten. "Er mag zwar der Oberbefehlshaber sein, deswegen steht er aber noch lange nicht über dem Gesetz", kommentierte die Washington Post. Die amerikanischen Gründerväter hatten sich "eine Herrschaft der Gesetze und nicht der Menschen" gewünscht. Diese Lektion musste Trump nun zum ersten Mal erfahren. Zudem gaben die Richter klar zu verstehen, dass sich das Gericht auch gegen Präsidentenerlasse stellen kann, wenn es um Fragen der nationalen Sicherheit geht. Das Gericht sei "verpflichtet, den Schutz zu bewahren, den die Verfassung Individuen gewährt".

Der demokratische Senator Chuck Schumer, der das Einreiseverbot als zutiefst unamerikanisch bezeichnet hatte und bei einer Kundgebung vor Tagen noch in Tränen ausbrach, sagte, Trump solle auf das Dekret verzichten, die Ärmel hochkrempeln und "endlich einen Plan präsentieren, der unser Land wirklich sicherer macht." Trump aber denkt nicht daran einzulenken.

Anders scheint es nun in der Außenpolitik zu sein, vor allem in den diplomatischen Beziehungen zu China. In seinem ersten Telefonat mit Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping vollzog Trump überraschend eine veritable Kehrtwende, was seinen Hang zur Unberechenbarkeit unterstreicht. Noch vor Wochen legte er auf Twitter und in Fernsehinterviews nahe, er wolle die sogenannte Ein-China-Politik als Verhandlungsjoker einsetzen. Das irritierte in Peking sehr. Taiwan ist seit dem Ende des chinesischen Bürgerkriegs de facto ein unabhängiger Staat, Peking besteht aber darauf, dass die Insel ein Teil eines in Zukunft wiederzuvereinigenden Chinas sei - ein Standpunkt, dem sich alle Staaten anschließen müssen, die mit China diplomatische Beziehungen haben.

In dem Gespräch aber hielt sich Trump nun plötzlich an das jahrzehntealte US-Protokoll und versicherte, dass sich seine Regierung voll hinter die Ein-China-Politik seiner Vorgänger stellen werde.

Das Misstrauen Trump gegenüber dürfte in Peking allerdings auch nach dem Telefonat nur wenig kleiner geworden sein. Noch ist völlig unklar, ob der US-Präsident etwa die Strafzölle gegen chinesische Produkte einführen möchte, die er mehrmals angekündigt hat. Für diesen Fall prophezeien Beobachter einen Handelskrieg. Pekings Führer bereiten gerade einen Parteitag im Herbst vor, ihnen kämen jegliche Erschütterungen im Moment äußerst ungelegen, gerade auch beim Thema Wirtschaft.

Und dennoch zeigten in China das Außenministerium und die von der KP kontrollierten Medien am Freitag vorerst ausdrücklich Genugtuung und Erleichterung über den Anruf. Lange genug mussten sie warten in Peking: Donald Trump telefonierte erst mit fast zwei Dutzend anderen Staatschefs, bevor er sich bequemte, Chinas Partei- und Staatschef anzuwählen.

"Durch gemeinsame Anstrengungen können wir die bilateralen Beziehungen in neue historische Höhen heben", hieß es in einer Erklärung von Xi Jinping, die im chinesischen Staatssender verlesen wurde und in der er die USA und China als "kooperative Partner" bezeichnete. China wolle bei Handel, Investitionen, Technologie und Energie mit den USA zusammenarbeiten, aber auch "in internationalen Angelegenheiten den Frieden und die Stabilität in der Welt gemeinsam voranbringen".

Klingende Worte nach zwei Monaten der Funkstille.

Am Freitag dann die nächste Überraschung: Fünf Tage vor dem Besuch des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu in Washington kritisiert Trump den Ausbau israelischer Siedlungen in den Palästinensergebieten. Er glaube nicht, "dass das Vorantreiben der Siedlungen gut für den Frieden ist", sagt Trump der Tageszeitung Israel Hajom. Auch die Entscheidung für die im Wahlkampf angekündigte Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem sei "nicht leicht". Das klang schon viel vorsichtiger als in den vergangenen Wochen, viel näher am Kurs von Barack Obama, als bisher zu vermuten war.

Ähnlich unerhört seine Sätze in der Tageszeitung Israel Today. "Ich will, dass Israel vernünftig ist und Respekt vor dem Frieden hat", sagt Trump da. "Ich will sehen, dass es Frieden gibt." Er wünsche sich ein Maß an Vernunft auf beiden Seiten und sehe dafür gute Chancen. Das klingt ganz anders als seine bisherige offensive Unterstützung für Israels Siedlungsbau. Es klingt eher wie ein Stopp-Signal.

An seinem Einreise-Stopp gegen Muslime aber hält Trump eisern fest. Nicht einmal eine halbe Stunde nach dem Urteil der Richter schrieb er auf Twitter in Großbuchstaben: "WIR SEHEN UNS VOR GERICHT". Die Sicherheit des Landes sei in Gefahr. Der Fall wir nun wahrscheinlich bald das Oberste Gericht der USA beschäftigen. Erwartet wird, dass es dort zu einem Unentschieden kommt, da vier Richter dem liberalen, vier dem konservativen Lager zugeordnet werden. Dann wäre das Dekret gescheitert, Trumps Einreiseverbot Makulatur.

Gefragt nach seinen größten Niederlagen, sprach Barack Obama einmal davon, dass es ihm aufgrund des republikanisch dominierten Kongresses nicht gelungen sei, mehr Waffenkontrollen durchzusetzen und etwas gegen die Schulmassaker zu unternehmen. Er zeigte sich resignativ und gebrauchte die Worte: "So ist nun mal unser System." Für Trump wäre eine Niederlage vor dem Supreme Court seine erste Lektion über eben dieses politische System und seine Begrenzung der Macht.

© SZ vom 11.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: