Afghanistan:Bundeswehr-Übersetzer in Kundus ermordet

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182 afghanische Bundeswehr-Helfer will die Bundesregierung nach Deutschland holen, um sie vor Racheakten zu schützen. Für einen von ihnen ist es nun zu spät: Er wurde tot in Kundus aufgefunden.

Vor knapp einem Monat zog die Bundeswehr aus dem afghanischen Kundus ab, nun sind die Helfer der deutschen Soldaten in Lebensgefahr. Ein früherer Übersetzer der Truppe wurde am Sonntag in der nordafghanischen Provinzhauptstadt tot aufgefunden.

Polizeisprecher Sayed Sarwar Hussaini sagte, Dschawad Wafas Leiche sei am Sonntag in seinem Auto in Kundus-Stadt entdeckt worden. "Er wurde nicht erschossen, er wurde erwürgt."

Nach Informationen des ARD-Studios Südasien stand Wafa auf der Liste der afghanischen Ortskräfte, denen die Bundesregierung wegen drohender Racheakte der Taliban die Einreise nach Deutschland erlaubt hat.

Taliban-Sprecher Sabiullah Mudschahid konnte zunächst keine Angaben dazu machen, ob die Aufständischen für die Tat verantwortlich sind. "Aber wir denken, dass all diejenigen, die den Invasionstruppen in irgendeiner Weise geholfen haben, getötet werden sollten."

Ein Verwandter Wafas, der namentlich nicht genannt werden wollte, äußerte die Vermutung, der Mord könne auf einen persönlichen Streit ohne politischen Hintergrund zurückzuführen sein. Ein anderer früherer Bundeswehr-Übersetzer in Kundus sagte: "Wafa wurde wegen seiner Zusammenarbeit mit dem deutschen Militär mehrfach in Telefonanrufen von Unbekannten mit dem Tode bedroht. Sie warfen ihm Spionage vor. Er ging davon aus, dass die, die ihn bedrohten, Taliban waren, auch wenn sie das nicht kategorisch sagten."

Die letzten Bundeswehr-Soldaten waren am 18. Oktober aus Kundus in Richtung Masar-i-Scharif abgezogen. Aktive Ortskräfte im Dienst deutscher Ministerien waren bislang nicht getötet worden. Die Bundesregierung hatte vor vier Wochen mitgeteilt, sie wolle mindestens 182 afghanische Ortskräfte zu deren Schutz nach Deutschland holen. Insgesamt haben sich laut Bundesinnenministerium 300 Afghanen mit Sicherheitsbedenken an ihre Dienststellen gewandt.

Dolmetscher gelten als besonders gefährdet, weil sie sichtbar für die Bundeswehr oder auch für die Bundespolizei tätig waren. Das bei der Ausreise von bedrohten Ortskräften federführende Innenministerium machte am Sonntag zu dem konkreten Fall in Kundus keine Angaben.

Der Nato-Kampfeinsatz läuft Ende 2014 aus. Danach soll es eine kleinere Nachfolgemission zur Ausbildung afghanischer Sicherheitskräfte geben, an der sich Deutschland mit bis zu 800 Soldaten beteiligen will. Derzeit sind im Rahmen der Nato-geführten Schutztruppe Isaf noch knapp 3.500 Bundeswehr-Soldaten eingesetzt.

© Süddeutsche.de/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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