AfD:Und ab

Lesezeit: 3 min

Die Partei-Chefin will nicht in die Fraktion eintreten. Möglich, dass Petry die Spaltung der AfD vorbereitet.

Von Sebastian Pittelkow, Katja Riedel und Jens Schneider, Berlin

Drei Minuten und 53 Sekunden dauert ihr Auftritt. Mit dem letzten Satz steht Frauke Petry auf und verlässt die Pressekonferenz, die gerade erst begonnen hat. Weg ist sie, die noch amtierende AfD-Bundesvorsitzende, und die Partei erlebt ihren nächsten Krach, vermutlich den Vorläufer der nächsten Spaltung, zwei Jahre nach dem Abschied des Gründers Bernd Lucke. Gekommen waren die beiden Spitzenkandidaten Alice Weidel und Alexander Gauland, um ihren Triumph vom Wahlsonntag vor der Bundespressekonferenz zu zelebrieren.

Stattdessen werden sie von Petry überrascht. Sie sagt schnell, dass die Partei in eine falsche Richtung gehe und sie diesen inhaltlichen Dissens nicht weiter totschweigen wolle. Und dann erklärt Petry, dass sie der neu zu bildenden Fraktion der AfD nach reiflicher Überlegung nicht angehören werde. Als sie geht, muss Gauland lachen, er wirkt verblüfft, und amüsiert.

Man darf vermuten, dass ihm die Entwicklung gefällt. Kurz muss er sich sammeln. Aber nach einigen Minuten hat Gauland für die von ihm einst hoch geschätzte Weggefährtin an der Parteispitze nur noch Spott übrig, er sagt: "Wir sind halt ein gäriger Haufen und jetzt ist jemand obergärig geworden." Obergärig? Seine Kollegin Weidel findet das sichtbar komisch.

Innerhalb der Partei werden Leute gesucht, die sich der Vorsitzenden anschließen

Freilich kann in der Parteiführung an diesem Montag noch niemand wissen, welche Dynamik sich aus Petrys Paukenschlag entwickeln wird. Sie tritt zunächst allein ab, aber wie immer geschieht das sicherlich in enger Abstimmung mit ihrem Ehemann Marcus Pretzell, der Landesvorsitzender in Nordrhein-Westfalen ist und in diesem von Streit geprägten Landesverband einige sehr treue Gefolgsleute hat.

Schon länger wird in der AfD über eine Abspaltung des zumindest nach seinem eigenen Empfinden moderateren Lagers gesprochen. Petry stand schon seit Monaten in der eigenen Parteiführung isoliert da, besonders deutlich wurde das auf dem Parteitag in Köln Ende April, als der Rest der Partei ihren Versuch ins Leere laufen ließ, rote Linien gegen den zunehmenden Rechtsruck zu ziehen.

Nach Recherchen von Süddeutscher Zeitung, WDR und NDR bereiten Unterstützer Petrys den Schnitt mit der Bundespartei seit Längerem vor. Innerhalb der Partei werden einem Chat-Protokoll zufolge Anhänger der Petry-Linie gesucht, die sich anschließen würden. Dabei geht es wohl auch um die Bildung einer eigenständigen Bundestagsfraktion in Konkurrenz zu der der AfD. Ein enger Vertrauter Petrys nennt den Plan flapsig "Lucke 2.0". Es sei bereits mit einigen künftigen Fraktionsmitgliedern gesprochen worden, ob sie mitgehen.

Da ahnen sie noch nicht, dass Frauke Petry (hinten) gleich wieder gehen wird: das AfD-Spitzenpersonal Jörg Meuthen, Alexander Gauland und Alice Weidel (von links) zu Beginn der Bundespressekonferenz. (Foto: Wolfgang Rattay/Reuters)

Aus einem der Chats geht hervor, dass es bei einzelnen Veranstaltungen in Sachsen Probeabstimmungen gegeben haben soll; von solchen Abstimmungen berichteten auch Teilnehmer. In dem Text heißt es, 20 bis 25 Prozent der dort Anwesenden seien bereit gewesen, mit Petry zu gehen. Die sächsische AfD ist in großen Teilen deutlich weiter rechts positioniert als Petry.

Aus einem weiteren Mailwechsel, der SZ, WDR und NDR vorliegt, ergeben sich Indizien für die Vorbereitung der Spaltung: Beteiligt ist Christian Schwarzer, Fraktionssprecher in Nordrhein-Westfalen und enger Vertrauter von Petrys Ehemann Pretzell. Die ursprüngliche Partei hält Schwarzer "für verstorben". Der Bundestagsfraktion gebe er "drei Monate bis zur Spaltung", Parteichef Jörg Meuthen habe sie vernichtet. "Die AfD ist Geschichte. An die Wand gefahren vor allem von Meuthen, ein Stück weit auch von Gauland", heißt es bei Schwarzer.

Am 31. August schreibt er an einen anderen AfD-Funktionär: "Zur BTW (Bundestagswahl, Anm. d. Red.) geht theoretisch noch zweistellig. Was nach der Spaltung mit etwas Glück zwei Fraktionen hervorbringen könnte, die aber auch nicht länger halten werden als vielleicht ein Jahr." Darin bezieht er sich offenbar auf eine mögliche Fraktions- und wohl auch Parteispaltung. Das nationalistische Element in der Partei habe die AfD zerstört, schreibt er. "Und da das bereits geschehen ist, braucht man sich nicht mehr über Prävention unterhalten. Das Ding ist in Köln entschieden worden." Gemeint ist offenbar der Parteitag in Köln, bei dem Petry ins Abseits geraten war. Schwarzer war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Petry erklärte ihre am Montag verkündete Entscheidung auf Facebook und kündigte an, dass sie im Bundestag als Einzelabgeordnete einer "vernünftigen konservativen Politik Gesicht und Stimme verleihen" werde. Sie schrieb, dass in der AfD "seit fast einem Jahr die realpolitischen Vertreter zunehmend marginalisiert" und gemäßigte Mitglieder auf allen Ebenen diskreditiert würden. Eine "stille Abwanderung von seriösen Mitgliedern aus allen Parteigliederungen" sei ein "schmerzliches Zeichen" für diese Entwicklung. Weil sie diesen Exodus nicht mehr aufhalten könne, habe sie sich entschlossen, der Fraktion nicht anzugehören.

Ihr Schritt löste bei den früheren Weggefährten herbe Reaktionen aus. Spitzenkandidatin Weidel forderte Petry auf, nun auch die AfD zu verlassen. Weidel kritisiert, Petry habe die Entscheidung nicht vorher in der Führung kommuniziert. Auch der AfD-Rechtsaußen und Parteivize André Poggenburg aus Sachsen-Anhalt forderte Petry auf, aus der AfD auszutreten. Noch ist sie neben Meuthen aus Baden-Württemberg Parteichefin, die beiden haben sich vor Längerem überworfen. Meuthen warf Petry vor, sie habe sich seit langer Zeit nicht an der Vorstandsarbeit beteiligt.

Auch er forderte Petry zum Austritt auf. Unklar war am Montagnachmittag noch, ob sich weitere AfD-Abgeordnete Petry anschließen werden. In der AfD Nordrhein-Westfalens löste Petrys Entscheidung neuen Streit aus. Der künftige Bundestagsabgeordnete Martin Renner spekulierte, dass Petry und ihr Mann eine Abspaltung planen. Renner ist Vize-Vorsitzender in Nordrhein-Westfalen. Er sagte dpa, dass ein solcher Versuch "irrelevant" wäre, weil die Gruppe um Petry und Pretzell "nicht mehr als zehn Prozent der Funktionsträger und Parteimitglieder hinter sich" habe.

© SZ vom 26.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: