AfD:Schande im Kuratorium

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Die Verwandlung eines Mitglieds der AfD-Fraktion in ein Kuratoriumsmitglied der Stiftung, die das Holocaust-Mahnmal trägt, kann zu einem harten Stress-Test für die gesamte Partei werden.

Von Lothar Müller

Die AfD-Fraktion im Bundestag will eines ihrer Mitglieder in das Kuratorium der "Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas" entsenden. Es ist verständlich, wenn Lea Rosh, die stellvertretende Vorsitzende des Kuratoriums das unverfroren findet. Sie hat noch die Dresdner Rede des thüringischen AfD-Politikers Björn Höcke im Ohr, in der er das Mahnmal, zu deren Initiatoren sie zählte, als "Denkmal der Schande" bezeichnete. Es ist aber keine gute Idee, wenn sie Wolfgang Schäuble, der durch sein Amt als Bundestagspräsident den Vorsitz im Kuratorium innehat, auffordert, er möge juristisch klären lassen, ob sich der Einzug der AfD in das Kuratorium verhindern lässt.

Denn die Rechtslage ist eindeutig. Laut Stiftungsgesetz steht der AfD-Fraktion ein Sitz im Kuratorium zu. Aus dem schlichten Grund, dass es diese Fraktion im neu gewählten Bundestag gibt. Dieser Grund ist ein politisches Faktum und eine politische Herausforderung. Juristisch abwählen lassen sich Wahlergebnisse nicht. Die Existenz der AfD-Fraktion im neuen Bundestag ist eine Art Stresstest für die demokratischen Routinen. Die politische Antwort auf diese Herausforderung ist, die demokratischen Institutionen von den Ausschüssen über die an das Parlament angegliederten Institutionen ihrerseits zum Stresstest für die AfD zu machen.

Das gilt auch und gerade für das Kuratorium der Stiftung, die das Holocaust-Mahnmal trägt, eben weil die Erinnerungspolitik ein zentrales Aktionsfeld der AfD ist, eben weil Mitglieder der Partei immer wieder versuchen, die Zentralstellung des nationalsozialistischen Völkermords an den Juden Europas in der deutschen Gedenkkultur infrage zu stellen. Noch hat die AfD-Fraktion ihren Vertreter in diesem Gremium nicht benannt. Aber wer auch immer es sein wird, er oder sie wird dort den Stiftungszweck, der in eben dieser Erinnerung besteht, nicht außer Kraft setzen können. Sondern im Gegenteil in jeder seiner Äußerungen an diesem Stiftungszweck gemessen werden, der auch die Denkmäler für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma und verfolgten Homosexuellen umfasst. Wenn er oder sie sich nicht in der Lage sieht, diesem Stiftungszweck Rechnung zu tragen, setzt er oder sie sich selbst unter Legitimationsdruck.

Bisher gehört der Rückbau des Mahnmals nicht zum Parteiprogramm

Die Verwandlung eines Mitglieds der AfD-Fraktion in ein Kuratoriumsmitglied der Stiftung, die das Holocaust-Mahnmal trägt, kann zu einem harten Stresstest für die gesamte Partei werden. Denn sie wird erinnerungspolitisch Farbe bekennen müssen. Bisher gehört der Rückbau des Mahnmals nicht zu ihrem Parteiprogramm. Im Kuratorium stehen ihr die Vertreter anderer Bundestagsfraktionen, der Bundesregierung, des (rot-rot-grünen) Berliner Senats, des Zentralrats der Juden in Deutschland, der Jüdischen Gemeinde und des Jüdischen Museums Berlin, der Stiftung Topographie des Terrors, der Arbeitsgemeinschaft der KZ-Gedenkstätten und des Förderkreises zur Errichtung des Mahnmals gegenüber. Alle diese Kuratoriumsmitglieder sollten in der Lage sein, sich gegenüber einem AfD-Politiker diskursiv zu behaupten und ihn, wo es nottut, öffentlich unter Legitimationsdruck zu setzen. Das ist allemal besser, als die AfD durch die Verweigerung eines ihr zustehenden Sitzes im Kuratorium mit politischer Munition zu versorgen.

© SZ vom 12.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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