Absolute Mehrheit für Sozialisten in Frankreich:Hollandes beispiellose Machtfülle

Frankreich hat sein Schicksal in die Hände Hollandes gelegt. Nach dem Sieg der Sozialisten bei den Parlamentswahlen besitzt der Präsident eine Macht, wie sie nicht einmal Mitterrand hatte. Das ist Glück und Fluch zugleich.

Stefan Ulrich, Paris

Wenn François Hollande am Montagmorgen erwacht, befindet er sich erstmals seit langem nicht mehr im Wahlkampf. In den vergangenen zwölf Monaten ist aus dem belächelten Außenseiter ein Mann mit enormer Machtfülle geworden. Erst schlug er in zwei Vorwahlen die Konkurrenten der Sozialistischen Partei aus dem Feld. Dann besiegte er in zwei Runden der Präsidentschaftswahl Nicolas Sarkozy. Nun darf er sich über einen Triumph seiner Partei bei den Parlamentswahlen freuen. Beim zweiten Wahlgang am Sonntag konnten die Sozialisten sogar die absolute Mehrheit in der Nationalversammlung erobern.

Aus dem Außenseiter ist ein Mann mit enormer Macht geworden. (Foto: AFP)

Frankreich legt sein Schicksal in die Hände Hollandes. Eine derartige Machtfülle hatte nicht einmal François Mitterrand nach seinem Sieg 1981. Damals verfügte die Linke über keine Mehrheit im Senat. Heute dagegen können die Sozialisten ohne Kompromisse mit der Opposition oder kleineren Parteien regieren. Das ist Glück und Fluch zugleich. Ein Glück, weil sie Frankreich nun wirklich gestalten können. Ein Fluch, weil sie für Misserfolge allein geradestehen müssen.

Die Mission Wahl ist erfolgreich beendet - nun beginnt für Hollande die Mission Wahrheit. Er muss den Bürgern erklären, warum das Wachstum schwächer ausfallen wird, als er das angekündigt hat. Er hat seine Wähler auf noch mehr Arbeitslose vorzubereiten. Er wird den Franzosen höhere Steuern zumuten - und hoffentlich auch Strukturreformen und Einschnitte im Staatshaushalt. Außerdem muss er die französische Linke auf einen Kompromiss mit Angela Merkel bei der Euro-Rettung einstimmen. Mit seinen Siegen im Rücken sollte Hollande diese schwierigen Aufgaben sofort anpacken. Wann, wenn nicht jetzt.

© SZ vom 18.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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