Abgas-Affäre:8,5 Millionen VW-Diesel müssen in die Werkstatt

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Das Kraftfahrtbundesamt zwingt Volkswagen, alle manipulierten Autos in Deutschland zurückzurufen. In ganz Europa sind 8,5 Millionen Fahrzeuge betroffen. Auch italienische Behörden ermitteln.

Von Michael Bauchmüller, Klaus Ott und Thomas Fromm, Berlin/München

Die Affäre um manipulierte Abgas-Werte zwingt Volkswagen zur größten Rückrufaktion in der Konzerngeschichte. VW will europaweit 8,5 Millionen Fahrzeuge in die Werkstätten holen und dort auf eigene Kosten so umrüsten, dass die gesetzlichen Schadstoffgrenzen künftig eingehalten werden. Das erklärte der Konzern am Donnerstagsnachmittag. Wenige Stunden zuvor hatte das Kraftfahrtbundesamt in Flensburg angeordnet, dass Volkswagen seine 2,4 Millionen von der Affäre betroffenen Fahrzeuge in Deutschland nachrüsten muss.

Nach Erkenntnissen der Flensburger Behörde hat VW Abgas-Tests auch in Deutschland so manipuliert, dass auf dem Prüfstand niedrige Stickoxid-Emissionen vorgetäuscht wurden. Die Nachrüstung der Fahrzeuge soll Anfang 2016 beginnen und sich das ganze Jahr über hinziehen. Der Konzern muss aus den Fahrzeugen der betroffenen Marken VW, Audi, Seat und Škoda die Software entfernen, mit der hohe Schadstoffwerte verschleiert worden waren. Das Bundesamt verlangt von VW bis Ende November technische Lösungen für alle Motoren der Baureihe EA 189, die gegen die Abgasnorm Euro 5 verstoßen. VW erklärte, man werde das schaffen.

Die europaweite Rückrufaktion könnte das Unternehmen einen Milliardenbetrag kosten. Straf- und Schadenersatzzahlungen sowie Umrüstungsmaßnahmen in den USA, Europa und anderen Kontinenten könnten sich für Volkswagen auf mehrere zehn Milliarden Euro summieren. In den USA wollen außerdem große Anwaltskanzleien Volkswagen per Klage dazu zwingen, den Besitzern von Diesel-Autos den Rückkauf ihrer Fahrzeuge anzubieten.

Für Volkswagen sind die Erkenntnisse des Kraftfahrtbundesamtes deshalb so prekär, weil nun offenbar feststeht, dass der Konzern auch in Europa Kunden und Behörden hintergangen hat. Im September hatte VW Manipulationen in den USA gestanden und anschließend mitgeteilt, die betreffende Software sei weltweit in elf Millionen Fahrzeuge eingebaut worden. Aber nur in einem Teil davon sei die Software aktiviert worden. Es sei rechtlich noch unklar, ob es sich um eine verbotene Einrichtung im Sinne der europäischen Normen handle, erklärte VW vor einer Woche.

Laut Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt gehe das Kraftfahrtbundesamt nun von einer "unzulässigen" Technik aus. Nach Ermittlungen in Deutschland, den USA und anderen Ländern läuft auch in Italien ein Verfahren. Die VW-Zentrale in Verona und die in Bologna ansässige Sportwagen-Tochter Lamborghini wurden wegen Betrugsverdachts durchsucht. In den Niederlanden entschuldigte sich VW in Zeitungsanzeigen mit dem Wort "Schamesröte" für die Abgas-Affäre.

Der neue VW-Chef Matthias Müller will den Konzern stark verändern. Nötig sei eine "neue Kultur der Offenheit", sagte Müller bei einem Treffen mit VW-Managern in Leipzig. Deutlich ging er auf Distanz zu seinem Vorgänger Martin Winterkorn und zu Großaktionär Ferdinand Piëch. VW, so Müller, sei keine "Ein-Mann-Show".

© SZ vom 16.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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