EU-Krisengipfel zum Kaukasus:Ausgestreckte Hand

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Erleichterung in Moskau: Die EU will Russland nicht isolieren. Aber dieses Anliegen nun als Erfolg zu verbuchen, wäre falsch.

Daniel Brössler

Versuchte man, das politische Weltklima der vergangenen Tage graphisch darzustellen, so wären die Ausschläge beträchtlich. Auf empfindliche Kälte folgt spürbare Erwärmung. So jedenfalls ist die Wahrnehmung nach dem Sondergipfel der Europäischen Union zur Lage im Kaukasus. Zufrieden mit den Ergebnissen des Treffens sind nicht nur die meisten Europäer, sondern auch die Russen - wenn auch aus ganz unterschiedlichen Gründen.

Ihre Strategie hat sich in Brüssel durchgesetzt: Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy und sein Außenminister Bernard Kouchner. (Foto: Foto: Reuters)

In Moskau herrscht Erleichterung, weil die Drohung mit Sanktionen zunächst einmal vom Tisch ist. In der EU hingegen überwiegt die Zufriedenheit, weil es gelungen ist, in einer schweren Krise - anders als im Falle des Irak vor fünf Jahren - geschlossen aufzutreten. Nur: Geschlossenheit ist gut, ein Selbstzweck aber ist sie nicht. In den kommenden Monaten wird sich zeigen, ob die Union zu einer schlüssigen Russland-Politik und zu Wegen aus der Krise findet.

Durchgesetzt hat sich in Brüssel eine von der französischen Präsidentschaft und den Deutschen forcierte Strategie. Sie soll das Kunststück vollbringen, Russland scharf zu kritisieren, ohne die Lage weiter zu verschärfen. Balten und Briten werden skeptisch verfolgen, wohin diese Linie führt. Im Kern geht es darum, ob Russland weiterhin darauf beharrt, im Georgien-Krieg und danach richtig gehandelt zu haben. Sollte dies der Fall sein, bleibt die Gefahr der Wiederholung. Russland, so wäre dann zu befürchten, könnte auch künftig die Grenzen seiner Nachbarn missachten.

Ein solches Land aber kann nur eine Herausforderung sein, nie ein Partner. Zu Recht sieht die Europäische Union ihr Verhältnis zu Russland daher am Scheideweg. Bislang gefällt sich Moskaus starker Mann Wladimir Putin in der Rolle des Tiger-Bezwingers. Unter Führung des Ministerpräsidenten genießt Russland den vermeintlichen Triumph, es dem Westen heimgezahlt zu haben. Das mag, für eine gewisse Zeit, Rachedurst stillen.

Bald aber wird sich die russische Führung fragen müssen, wie es weitergehen soll. Zum einen hat das völkerrechtswidrige Vorgehen in Georgien Russlands Einsamkeit offenbart. Selbst Verbündete mögen den russischen Landraub nicht billigen. Zum anderen werden bereits die wahren Kosten des Krieges offenbar. Investitionen bleiben aus, Börsenkurse fallen. Trotz seines Gas-Reichtums kann Russland seine Wirtschaft aus eigener Kraft nicht modernisieren. Vor allem um seiner selbst willen muss Russland die Isolation vermeiden.

Europa wiederum braucht Russland nicht nur als Ressourcen-Lieferanten, sondern auch als berechenbaren Nachbarn. Echte Partnerschaft bleibt das ferne Ziel, vorerst wäre schon ein konstruktiver Umgang miteinander schön. Viel hängt davon ab, wie Russlands Führung das Ergebnis des Brüsseler Gipfels versteht. Interpretiert sie es als Erfolg der eigenen Stärke, so hätte das tragische Folgen. Begreift sie es als ausgestreckte Hand, besteht Anlass zur Hoffnung.

© SZ vom 03.09.2008/cag - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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