"Waldjunge" von Berlin identifiziert:"Ray" räumt wahre Identität ein

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Er heißt in Wahrheit Robin, ist 20 Jahre alt und galt in den Niederlanden seit einem Dreivierteljahr als vermisst. Monatelang rätselte die Polizei über die Identität des Jugendlichen, der plötzlich im Berliner Rathaus auftauchte. Nun steht fest: Der vermeintliche "Waldjunge" kam direkt aus seinem niederländischen Heimatort nach Deutschland.

Viele erinnerte seine Geschichte an eine moderne Version des Kaspar Hauser, jenes rätselhafte Findelkind aus dem 19. Jahrhundert. Die Medien hatten ihn bald "Waldjunge" getauft, denn einen Nachnamen hatte Ray nicht. Der auf etwa 17 Jahre alt geschätzte Junge war vor neun Monaten in Berlin aufgetaucht, im Gepäck Zelt, Schlafsack und eine abenteuerliche Geschichte.

Fünf Jahre habe er im Wald gelebt, ansonsten könne er sich an kaum etwas erinnern: Offenbar narrte "Ray" neun Monate lang die Berliner Behörden. (Foto: Reuters)

Zu abenteuerlich. Ray heißt in Wirklichkeit Robin und stammt aus der niederländischen Stadt Hengelo.

Robin wurde von Schulfreunden und Angehörigen identifiziert, nachdem die Berliner Polizei Fotos des Jungen veröffentlicht hatte, der vor neun Monaten in der Hauptstadt aufgetaucht war. "Wir sind uns hundert Prozent sicher, dass es sich um den 20-jährigen Jungen handelt, da seine Stiefmutter ihn eindeutig erkannt hat", sagte eine Sprecherin der Polizei aus Hengelo der Zeitung Die Welt.

"Er hatte persönliche Probleme"

Mittlerweile hat der Jugendliche eingeräumt, seine Geschichte frei erfunden zu haben. Er habe seine wahren Personalien bestätigt, teilte die Polizei in Berlin mit. Die Beamten hätten ihn mit den Ermittlungsergebnissen konfrontiert, woraufhin er seine Identität preisgegeben habe.

Ray, wie er sich selbst nannte, hatte sich am 5. September 2011 am Roten Rathaus in Berlin gemeldet und gesagt, er wisse nur sein Geburtsdatum und seinen Vornamen. Er erzählte, dass er mit seinem Vater fünf Jahre lang durch Wälder gestreift sei, meist nach Kompass und Karte gewandert sei und in Höhlen und Zelten geschlafen habe. Der Vater sei Ende August des Vorjahres gestorben, er habe ihn im Wald beerdigt.

In Wahrheit tauchte Robin jedoch vor neun Monaten ab: Nach Angaben der Polizei in Hengelo wurde Robin am 2. September vergangenen Jahres zuletzt dort gesehen, als er sich mit einem Freund auf eine Reise nach Berlin machte - nur drei Tage bevor er in der deutschen Hauptstadt auftauchte. Seitdem galt er in seiner Heimat als vermisst. "Da er zu diesem Zeitpunkt bereits erwachsen war und damit seinen Aufenthalt selbst bestimmen konnte sowie keine Hinweise für eine Straftat oder eine Gefährdung vorlagen, wurde nicht weiter nach dem Mann gesucht", erklärte ein Sprecher der Berliner Polizei.

Zu den Hintergründen für sein Lügenkonstrukt hat sich der 20-Jährige noch nicht geäußert. Ein Schulfreund sagte jedoch dem niederländischen Fernsehsender NOS: "Er hatte persönliche Probleme und das war seine Art, ein neues Leben anzufangen."

Am Dienstag hatten die deutschen Behörden ein Foto des Jungen veröffentlicht und die Bevölkerung um Mithilfe in dem mysteriösen Fall gegeben. Der Aufruf erfolgte erst jetzt, weil der Junge dem nur zögerlich zugestimmt hatte.

Nach der Aufdeckung des Schwindels droht dem 20-jährigen Niederländer nun Ärger. Ein Sprecher des Berliner Jugendamtes sagte, er könne wegen Erschleichens von Jugendhilfeleistungen angezeigt werden. Das Jugendamt hatte sich um Verpflegung und Unterbringung gekümmert. Die Berliner Polizei prüft ebenfalls Konsequenzen. Immerhin, so sagte eine Sprecherin, habe er die Ermittler an der Nase herumgeführt.

© Süddeutsche.de/dapd/dpa/leja/sks - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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