USA:Uns stinkt's!

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Kaum ein New Yorker macht sich Gedanken, was mit seinen Ausscheidungen passiert, nachdem er, wie auf dieser Toilette in Brooklyn, runtergespült hat. Ein Teil des Klärschlamms wird exportiert, quer durchs Land, mit dem Zug. (Foto: Shannon Stapleton/Reuters)

Neulich ist wieder ein Zug mit Exkrementen aus New York in Alabama angekommen. Die Bürger dort wollen das nicht länger hinnehmen.

Von Thorsten Denkler

Machen wir uns nichts vor, Klärschlamm besteht zu einem großen Teil aus menschlichen Fäkalien. Scheiße, um es allgemein verständlich auszudrücken. In New York kommen jeden Tag etwa 1200 Tonnen dazu, so ist das in einer Millionenstadt. Das Problem ist nur: Es ist zu viel, um es am Ort zu entsorgen. Viel zu viel. Weswegen New York einen Teil seines Klärschlamms exportiert. Derzeit gehen etwa sieben Prozent nach Alabama im Süden der USA, fast 1600 Kilometer quer durchs Land, mit dem Zug. Steht der Wind ungünstig, kündigt er seine Ankunft schon von ferne an.

Vergangene Woche ist wieder so ein Zug in Alabama angekommen. 80 Waggons, randvoll mit den Ausscheidungen der New Yorker. Einige Tage wurde der Zug auf einem Gleis im Norden der Stadt Birmingham abgestellt und stank vor sich hin. Den Anwohnern hat es den Appetit verschlagen, es habe "nach Tod" gerochen, sagen sie dort. Die Waggons wurden schließlich an ihren Bestimmungsort gebracht, zur Deponie des Entsorgungsunternehmens "Big Sky Environment" in Adamsville, nordwestlich von Birmingham.

400 000 Tonnen Klärschlamm jährlich

Die Regierung von Alabama hatte der Firma trotz Protesten von Anwohnern Ende 2016 die Genehmigung erteilt, 400 000 Tonnen Klärschlamm jährlich aus dem Großraum New York und New Jersey zu importieren. Das Unternehmen mischt den Schlamm mit Erde und bedeckt damit die Hänge seiner Deponien - auf dass auf den Hinterlassenschaften der Großstadtbewohner Bäume und Sträucher gedeihen.

Alabama gelte wegen seiner laschen Umweltregeln als Müllhalde der Nation, sagte Nelson Brooke von der Umweltgruppe Black Warrior Riverkeeper dem Guardian. Wenn Alabama etwas im Überfluss hat, dann sind es Mülldeponien.

Früher wurde der New Yorker Klärschlamm einfach in den Atlantik gekippt, bis die US-Umweltbehörde 1988 dagegen vorging. Fortan wurde das Zeug als Dünger verkauft. Jahrelang lieferte die Stadt New York einen Teil ihres Fäkalschlamms an Farmer in Colorado, die zunächst sehr glücklich über den billigen Dünger waren. Zweimal im Monat brachte der "New York City Poop Train", wie man ihn liebevoll-angewidert nannte, neue Ware, bis die Transportkosten so hoch wurden, dass es sich nicht mehr lohnte. 2012 war Schluss.

Es ist nicht mehr so einfach, den Fäkalienschlamm loszuwerden. Die Bürger von Alabama zum Beispiel wehren sich jetzt. Mehrere Klagen gegen den stinkenden Import sind anhängig.

Ein halbes Jahr lang wurde der Schlamm auf einem privaten Betriebsbahnhof in West Jefferson auf Trucks umgeladen und dann quer durch die Stadt zur Deponie gebracht. Die Exkremente seien oft an den Reifen der Trucks kleben geblieben und so in der ganzen Stadt verteilt worden, sagt Bürgermeister Charles Nix laut US-Medienberichten. Einmal sei ein derart großer Klumpen New Yorker Kacke auf der Straße gelandet, dass die Feuerwehr anrücken musste, um ihn von der Straße zu waschen.

Millionen von Fliegen

Die Hochdruckreiniger der Anwohner hätten nichts ausrichten können. "An heißen Tagen hatten wir richtige Probleme", sagt Nix. Dann sei der Gestank so unerträglich gewesen, dass selbst ein kurzer Gang zum Briefkasten zur Qual für die Nase geworden sei. Der Geruch habe sich sogar auf der Haut festgesetzt, "sodass die Leute ins Haus gehen und duschen mussten". Dazu kamen Millionen von Fliegen.

Im August wurde der Firma Big Sky Environment verboten, die Waggons weiter auf dem Betriebsbahnhof zu verladen. Der Rechtsstreit darüber dauert bis heute an. Die Verladung wurde in der Zwischenzeit verlegt, in das Örtchen Parrish ein paar Kilometer weiter. Heather Hall, die dortige Bürgermeisterin, sagt, dass die Bewohner seither an den Tagen, an denen eine neue Schlammladung kommt, ihre Fenster geschlossen halten und es vermeiden, nach Feierabend gemütlich auf der Veranda zu sitzen. "Die ganze Sache verringert die Lebensqualität erheblich", sagt Hall. Sie hofft, dass das alles nur vorübergehend ist. Und dass die New Yorker ihren Dreck künftig für sich behalten.

Möglicherweise kann der kleine Ort bald aufatmen. New York City denke darüber nach, die übel riechende Geschäftsbeziehung zu Big Sky Environment zu kappen, sagte ein Sprecher der Stadt dem Guardian. Unklar ist, was dann mit dem überschüssigen Klärschlamm passieren soll. In New York ist dafür kein Platz.

© SZ vom 16.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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