USA:Nicht mehr lustig

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Angeklagt: Bill Cosby, ehemaliger Superstar des US-Unterhaltungsfernsehens, vor dem Gericht in Norristown. (Foto: WILLIAM THOMAS CAIN/AFP)

Hat Bill Cosby, einst eine moralische Instanz der amerikanischen Mittelklasse, knapp 60 Frauen sexuell missbraucht? Lange hat sich der Entertainer gegen einen Prozess gewehrt - nun muss er sich vor Gericht verantworten.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Der Mann, der da in diesem Gerichtssaal im US-Bundesstaat Pennsylvania neben drei Anwälten stand, er sah Bill Cosby zwar verblüffend ähnlich, doch irgendwie wirkte dieser Typ im schicken Anzug und mit ernstem Gesichtsausdruck überhaupt nicht wie der Bill Cosby, den die Menschen kennen. Er trug nicht wie üblich einen Strickpulli, er verdrehte seine Augen nicht lustig, er vollführte keine ulkigen Tanzbewegungen. Er saß beinahe vier Stunden lang regungslos da, am Ende stand er auf, seine einzigen Worte waren: "Vielen Dank." Gerade hatte Richterin Elizabeth McHugh entschieden, ein Strafverfahren gegen Cosby zuzulassen. Es soll verhandelt werden, ob er vor knapp zwölf Jahren eine Mitarbeiterin der Temple University unter Drogen gesetzt und sexuell missbraucht hat.

Der Vorwurf: Cosby soll jungen Frauen Drogen verabreicht und sie dann belästigt haben

Es ist wichtig, dieses Bild vom Dienstag im Kopf zu behalten, weil in den Vereinigten Staaten genau darüber debattiert wird: Hat Bill Cosby, 78, der Fernsehvater der Nation, der Träger der Presidential Medal of Freedom, diese moralische Instanz der amerikanischen Mittelklasse, tatsächlich knapp 60 Frauen sexuell missbraucht? Haben wir uns die perfekte Familie und zwischenmenschlichen Werte in der Serie "The Cosby Show" von einem erklären lassen, der Teenager verführt und manche der Frauen nicht nur belästigt, sondern vergewaltigt haben soll?

Natürlich gilt für Cosby die Unschuldsvermutung - und genau das ist das Interessante, das Bedeutsame an diesem Fall, der nun im Sommer verhandelt werden soll. Die Berichte, von denen seit zwei Jahren beinahe wöchentlich neue veröffentlicht werden, weisen erstaunliche Parallelen auf: Cosby soll aufstrebende junge Frauen auf Partys gelockt haben mit dem Versprechen, deren Karrieren fördern zu wollen. Auf diesen Feiern soll er ihnen Drogen verabreicht und sie belästigt haben.

Diese Anklagen schaden zwar dem Image, doch musste sich Cosby bislang noch nie dafür vor Gericht verantworten. Die meisten der Fälle sind so lange her - sie gehen bis ins Jahr 1965 zurück -, dass er dafür nicht mehr juristisch belangt werden kann. Es gibt derzeit einige Zivilklagen, bei denen er zwar zu einer Aussage gezwungen werden, letztlich aber nur mit einer Geldstrafe belegt werden kann. Strafrechtlich gilt Cosby nach wie vor als unschuldig, weshalb den Frauen, die ihm nun sexuelle Belästigung oder gar Vergewaltigung vorwerfen, mitunter auch Sehnsucht nach Aufmerksamkeit und Geldgier unterstellt wird. Das Bild des lieben und braven Cosby scheint weiterhin in den Köpfen vieler Amerikaner verankert zu sein.

Bei einem Strafverfahren allerdings drohen Cosby bis zu zehn Jahre Haft, er müsste sich dann als Sexualstraftäter registrieren lassen. Gegen solch eine Verhandlung mit möglichem Schuldspruch wehrt sich Cosby seit Jahren mit viel Geld und allerlei juristischen Scharmützeln. Das von der Uni-Mitarbeiterin Andrea Constand angestrengte Zivilverfahren etwa war im Jahr 2006 gegen die Zahlung einer nicht publik gewordenen Summe eingestellt worden. Dabei war auch vereinbart worden, dass Cosbys Aussagen nicht an die Öffentlichkeit gelangen. Weil dieser Fall nun jedoch als Strafverfahren aufgelegt wird, werden auch die Akten von damals bekannt.

In einer Anhörung unter Eid aus dem Jahr 2005, deren Transkript der Süddeutschen Zeitung vorliegt, gab Cosby zu, Constand bei einer Begegnung in seinem Haus ein Jahr zuvor das Schlafmittel Methaqualon verabreicht zu haben - "weil sie über Stress gesprochen hat". Danach habe er sie berührt ("an der Stelle, an der man in die Hose gelangt") und dafür nicht um Erlaubnis gefragt: "Ich habe nicht gehört, dass sie was gesagt hat. Ich habe weiter gemacht und bin in diesen Bereich gelangt, der irgendwo zwischen Erlaubnis und Ablehnung war. Ich wurde nicht aufgehalten." Er habe Constand später Geld für ihre Ausbildung gegeben.

Er gab weiterhin zu, dass er sich die Betäubungsmittel von einem Arzt besorgt habe: "Das war die Zeit, in der junge Leute diese Drogen auf Partys genommen haben - deshalb wollte ich sie auch haben, nur für den Fall." Er habe die Drogen jedoch nie selbst genommen, sondern nur anderen überlassen, obwohl er gewusst habe, dass die Weitergabe illegal gewesen sei. Auf die Frage, ob er sich Methaqualon mit der Absicht besorgt habe, um mit jungen Frauen Sex zu haben, sagte er: "Ja."

Es kommt noch schlimmer: In den Anhörungen bestätigte Cosby, auch andere Frauen in sein Haus gelockt zu haben mit dem Versprechen, über deren Karriere sprechen zu wollen. Er gab zu, dass er der Krankenschwester Therese Serignese Geld bezahlt habe, damit sie eine sexuelle Beziehung mit Cosby vor dessen Frau verheimliche. Und er berichtete davon, dass er im Jahr 2005 dem Magazin National Enquirer ein Exklusiv-Interview zugesagt habe, wenn im Gegenzug dafür eine Geschichte über Beth Ferrier nicht gedruckt würde, eine weitere Frau, die Cosby zuvor der sexuellen Nötigung bezichtigt hatte.

Kaum ein Fernsehsender zeigt noch Wiederholungen der alten Serien

Mit der Zulassung eines Strafverfahrens haben die Kläger eine in Pennsylvania übliche juristische Hürde genommen. Es bedeutet lediglich, dass ein Verbrechen nachgewiesen und eine Verbindung zum Angeklagten hergestellt wurde. Mehr nicht. "Wir werden nun auf einen Gerichtstermin warten und unsere Möglichkeiten ausloten", sagt Staatsanwalt Kevin Steele. Zu diesen Möglichkeiten gehört auch, andere mögliche Opfer zu Aussagen zu bewegen, um ein Muster bei der Vorgehensweise Cosbys ersichtlich zu machen. Dessen Anwälte haben angekündigt, genau das verhindern zu wollen. "Sie hätten die Klägerin schon heute unter Eid aussagen lassen sollen - statt dessen haben sie eine elf Jahre alte Aussage voller Widersprüche zugelassen", sagt Brian McMonagle: "Niemand sollte unter solchen Bedingungen vor ein Gericht berufen werden."

Die nächste Anhörung findet am 20. Juli statt, dann soll auch ein Gerichtstermin bekannt gegeben werden. Es gibt derzeit keine Tour des Komikers, im vergangenen Jahr hatte er zahlreiche Auftritte abgesagt. Kaum ein Fernsehsender zeigt noch Wiederholungen der alten Serien. Es scheint, als würde das Bild des witzigen und moralisch intakten Bill Cosby im Strickpulli langsam verschwinden. Es muss Platz machen für das Bild eines ernsthaften Mannes im Anzug, der sich dagegen wehren muss, am Ende nicht doch noch schuldig gesprochen zu werden.

© SZ vom 27.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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