USA:Nasse Füße im Silicon Valley

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Die Unwetter zeigen, wie fragil die Infrastruktur in Kalifornien ist. Dort, wo es sonst um die Zukunft der Menschheit geht, wirkt man schon mit der Gegenwart von etwas Regen überfordert zu sein.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es gibt ein Video, das sich die Menschen in Kalifornien derzeit gegenseitig schicken, es zeigt die Reaktionen der Einwohner dieses scheinbar stets sonnigen Bundesstaates auf verschiedene Wetterlagen und Naturkatastrophen. Bei einem Erdbeben bleiben sie völlig gelassen, bei Regen drehen sie komplett durch. Ein Gewitter, so scheint es, ist für die Kalifornier der Vorbote der Apokalypse.

Das Video mag lustig sein, die Lage in Kalifornien dagegen ist ernst, der Bundesstaat ist direkt von der Dürre in die Traufe gelangt. "Es ist verrückt", sagt Louis Moore von der Behörde für Wasserwirtschaft: "Vor zwei Wochen haben wir noch davon gesprochen, dass 90 Prozent von Kalifornien von der Dürre betroffen sind und dass die Bewohner ganz dringend Wasser sparen müssen. Jetzt befindet sich im größten Reservoir des Bundesstaates derart viel Wasser, dass wir zum ersten Mal seit 20 Jahren die obersten Schleusen des Shasta-Damms öffnen mussten." Alleine im Februar hat sich dort so viel Wasser angesammelt, dass 3,3 Millionen Menschen ein Jahr lang damit versorgt werden können.

Eine gute Nachricht eigentlich, jedoch gibt es nun viel zu viel Wasser. Aufgrund der starken Regenstürme sind Highways und Häuser überflutet, Bäume umgeknickt und zahlreiche marode Dämme und Brücken gefährdet. Aufgrund der Unwetter wird nun sichtbar, wie fragil die Infrastruktur in Kalifornien ist, der Bundesstaat ist offenbar nur unzureichend auf solche Notlagen vorbereitet.

In Los Angeles kamen am vergangenen Wochenende aufgrund der Unwetter fünf Menschen ums Leben, mehr als die Hälfte aller Schnell- und Landstraßen war gesperrt, 130 000 Haushalte waren zeitweise ohne Strom. Während sich die Lage im Süden beruhigt, erlebt nun der Norden Kaliforniens den Behörden zufolge das schlimmste Hochwasser seit mehr als 100 Jahren. Mehr als 22 000 Einwohner mussten in San José gerettet werden, etwa 200 davon in Schlauchbooten. "Wenn die Menschen erst dann mitbekommen, dass sie ihre Häuser verlassen müssen, wenn ein Feuerwehrmann im Boot vorbeikommt, dann läuft hier etwas schief", sagt Bürgermeister Sam Liccardo: "Wir müssen uns dringend was einfallen lassen." Wohlgemerkt: San José liegt am unteren Rand des Silicon Valley, wo die Menschen an der Zukunft dieses Planeten basteln - jedoch ganz offensichtlich nicht auf Unwetter in der Gegenwart vorbereitet sind.

Bereits in der vergangenen Woche hatte Gouverneur Jerry Brown noch weiter nördlich den Notstand ausgerufen, knapp 200 000 Menschen verließen ihre Häuser. Die Schäden am Oroville-Staudamm, dem mit 235 Metern höchsten der USA, könnten beim Bruch für eine mehr als neun Meter hohe Flutwelle sorgen, mittlerweile scheint die Gefahr gebannt: Am Donnerstag hieß es, dass mehr Wasser abgelassen werden konnte, als durch die Regenfälle neu hineinfließt. "Wir sind in der Lage, den Wasserstand weiter zu senken", sagt Moore: "Wir brauchen aber auch langfristige Lösungen." Die Abgeordnete Kamala Harris hat sich am Donnerstag einen Überblick verschafft und will nun die Bundesregierung um weitere Maßnahmen bitten. In der vergangenen Woche hatte US-Präsident Trump bereits Katastrophenhilfe bewilligt.

Kalifornien erlebt gerade ein Jahrzehnt der Wetterkatastrophen. Meteorologen befürchten, dass dem Bundesstaat das Schlimmste noch bevorsteht. Die Schneeberge in der Sierra Nevada türmen sich auf mittlerweile mehr als zehn Meter und werden bald schmelzen. Die Unwetter sollen zudem die Vorboten auf einen Supersturm sein, wie ihn Los Angeles zuletzt im Jahr 1861 erlebt hat. Damals begann es an Heiligabend zu regnen und hörte 45 Tage nicht auf, das Umland der Metropole verwandelte sich in eine Seenlandschaft. Das droht auch jetzt, Risikoforscher halten die Gefahr eines Supersturms für mindestens so hoch wie die eines Superbebens im San-Andreas-Graben. Kein Wunder, dass die Kalifornier in diesem Internet-Video mehr Angst vor Regen als vor einem Erdbeben haben.

© SZ vom 25.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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