USA:Missbrauch an Elite-Uni Stanford: Warum der Richter das milde Urteil fällte

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Sechs Monate Haft und drei Jahre Bewährung - diese Strafe hat weltweit Empörung entfacht. Jetzt wird die Begründung des Richters bekannt, der sich offenbar an drei Punkten orientierte.

Der Fall bewegt die US-Öffentlichkeit seit Tagen: Eine Frau, die auf dem Gelände einer Elite-Uni in bewusstlosem Zustand sexuell missbraucht wird, vor Gericht den Täter trifft, der zur Tatzeit ebenfalls stark betrunken war, und ihn mit einem Brief konfrontiert, der mit den Worten beginnt: "Du kennst mich nicht, aber du warst in mir und deshalb sind wir heute hier".

Das Urteil - sechs Monate Haft und drei Jahre Bewährung - hatte weltweit Empörung ausgelöst. Es sei - gemessen an der Schwere der Tat - viel zu milde ausgefallen und das vor allem deshalb, weil der Angeklagte ein berühmter Spitzensportler aus einer angesehenen Familie sei. Hunderttausende Menschen unterzeichneten sogar eine Online-Petition, in der die Amtsenthebung des Richters gefordert wird. Staatsanwalt Jeff Rosen, der im Prozess mindestens sechs Jahre Gefängnis gefordert hatte, sagte, das Urteil werde der "tatsächlichen Schwere" des Delikts nicht gerecht.

Der Angeklagte selbst hat sich nach dem Prozess noch einmal mit einem Brief an die Öffentlichkeit gewandt und erklärt, warum er sich keiner Schuld bewusst ist. Auf der anderen Seite äußerte sich ein schwedischer Doktorand, der Turner und das Opfer hinter einem Müllcontainer auf dem Boden liegend fand. Ihm kam die Situation seltsam vor, gemeinsam mit seinem Begleiter alarmierte er die Polizei und widerspricht Turners Version der Geschichte auch außerhalb des Gerichtes.

Jetzt wurden Transkripte veröffentlicht, aus denen hervorgeht, was Aaron Persky, so heißt der Richter, zu seiner Entscheidung bewogen hat.

Es sind vor allem drei Punkte, so berichtet der britische Guardian, die den Ausschlag für das milde Urteil gegeben haben: Die Aussage einer Schulfreundin des Angeklagten, die diesem einen positiven Charakter attestierte, das Fehlen von Vorstrafen und die mediale Vorverurteilung.

Bei der Zeugenaussage handelt sich um den Brief einer Grundschulfreundin des Angeklagten Brock Turner. "Wenn ich einen meiner Schulkameraden hätte aussuchen müssen, der jetzt in dieser Situation ist, es wäre niemals er gewesen", soll es in dem Brief geheißen haben. Der Richter ließ sich davon überzeugen. Für ihn war es glaubhaft, dass sich Turner nie habe etwas zu Schulden kommen lassen - bis zu dieser einen Nacht.

Richter ließ sich von einem Brief überzeugen

In seine Entscheidung habe er auch das junge Alter des Angeklagten - Turner ist 20 - einbezogen und die Tatsache, dass er niemals in irgendeiner Form straffällig geworden sei. Die Tatsache, dass der Angeklagte zur Tatzeit stark alkoholisiert war, habe zwar dazu beigetragen, dass seine "moralische Schuld" niedriger zu bewerten sei, so der Richter. Allerdings habe dies nicht den Ausschlag für die geringe Strafe gegeben.

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Die erheblichen "negativen Begleiterscheinungen", die eine sehr lange Haftstrafe mit sich gebracht hätte, seien allerdings sehr wohl in das Urteil eingeflossen. Auch die andauernde Berichterstattung der Medien, die an sich bereits eine Art Strafe darstellte, habe er berücksichtigt, so Persky. "Wenn es keine öffentliche Berichterstattung gibt, dann können die negativen Folgen minimiert werden", so der Richter. Das sei im Falle von Turner nicht möglich gewesen.

Eine Frage bleibt allerdings auch jetzt, wo Teile des Urteils öffentlich geworden sind, offen. Das Opfer hat sie im Prozess gestellt: "Wie sähe die Strafe aus, wenn ein Ersttäter aus einer benachteiligten Familie sich dreier Anklagepunkte schuldig gemacht hätte und keine andere Erklärung dafür anbringen könnte, als dass er betrunken gewesen sei?"

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