USA:Für ein bisschen Ruhm

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Eine 20-Jährige erschießt ihren Freund während eines Videodrehs. Das Paar filmte die Tat mit zwei Kameras.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

15 Minuten Ruhm, das hat Andy Warhol den Menschen der Zukunft im Jahr 1968 versprochen. Was der Künstler den Leuten vor fast 50 Jahren bei dieser Ausstellung in Stockholm nicht mitgeteilt hat: was sie dafür tun müssen. Warhols Zukunft ist jetzt - und man hat manchmal den Eindruck, als genüge es heutzutage nicht mehr, brillant zeichnen oder wunderbar singen zu können. Der zweifache Salto muss über einer Klippe vollführt werden, der Balanceakt über Lava. Besonders beliebt sind "Epic-Fail-Videos", in denen jemand hinfällt oder bei einer waghalsigen Aktion scheitert. Wer dem Publikum keine wahnwitzige Show liefert, bleibt im Ozean der Selbstdarsteller ein unbemerktes Fischlein.

Ein junger Mann im US-Bundesstaat Minnesota hat diese Immer-extremer-Entwicklung nun mit dem Leben bezahlt. Laut Polizeibericht wurde der 22 Jahre alte Pedro Ruiz von seiner 20-jährigen Freundin Monalisa Perez erschossen. Perez erklärte beim Verhör, dass sie eine Pistole aus einer Entfernung von etwa 30 Zentimetern abgefeuert und sich ihr Freund mit einem vier Zentimeter dicken Buch geschützt habe. Das Projektil durchschlug jedoch die Seiten der Enzyklopädie und tötete Ruiz sofort. Es sei, so Perez bei der Vernehmung, ein Streich mit fürchterlichen Folgen gewesen.

Anruf bei Jeremy Thornton, Sheriff im Bezirk Norman. "Es ist ein völlig unsinniger Tod, ausgelöst durch die Sucht nach Ruhm und womöglich auch Reichtum", sagt er. Und fügt hinzu: "Ich habe keine Ahnung, was die beiden sich dabei gedacht haben. Ich verstehe diese Generation und ihre Sehnsucht nach 15 Minuten Ruhm nicht." Das Paar hat die Tat offenbar mit zwei Kameras gefilmt, eine auf dem Kofferraum eines Fahrzeugs und eine auf einer Leiter, aber die Öffentlichkeit wird das nicht zu sehen bekommen: "Wir werden die Videos nicht veröffentlichen", sagt der Sheriff.

Perez und Ruiz hatten seit Mai einen Youtube-Kanal betrieben und 18 Videos mit meist harmlosen Streichen eingestellt, die jeweils weniger als 3000 Menschen sehen wollten. Sie hatten sich bei Kletterunfällen gefilmt oder dabei, wie Pedro Ruiz in ein Gebäckstück mit Babypuder statt Puderzucker beißt. Verwandte beschreiben Ruiz in Interviews als Abenteurer, der von Hausdächern in Pools sprang und davon träumte, mit gefährlichen Stunts berühmt zu werden. Am Montag veröffentlichten die beiden Erlebnisse auf einem Rummelplatz, irgendwann im Video sagt Perez: "Ist das nicht krass, dass heutzutage jeder Youtube kennt? Stell dir vor, wie es wäre, wenn wir 300 000 Abonnenten hätten." Darauf Ruiz: "Ich habe schon gesagt, dass wir Partys feiern, wenn wir berühmt sind." Kurz danach schrieb Monalisa Perez bei Twitter: "Pedro und ich werden eines der gefährlichsten Videos der Geschichte drehen. Es ist seine Idee, nicht meine."

Bei der Vernehmung sagte Perez, dass Ruiz sie wiederholt aufgefordert habe, mit einer Pistole auf ihn zu schießen und die Aktion zu filmen, um mehr Abonnenten zu bekommen und berühmt zu werden. Er habe ihr ein Buch gezeigt, auf das er zuvor geschossen habe und bei dem die Kugel zwischen den Seiten stecken geblieben sei. "Es ist eine ziemlich kräftige Waffe", sagt Sheriff Thornton über die halb automatische Pistole. "Soweit ich weiß, war Ruiz dazu befugt, diese Waffe zu besitzen." Perez dagegen besitzt keinen Waffenschein. Sie muss sich nun wegen fahrlässiger Tötung verantworten, bei einer Verurteilung droht eine Haftstrafe von bis zu zehn Jahren. Nach einer Anhörung am Mittwoch wurde Perez gegen Kaution freigelassen. "Es ist ein tragischer Einzelfall, für die Öffentlichkeit besteht keine Gefahr", sagt Thornton. Ihre Verwandten haben angekündigt, sich um Perez zu kümmern - sie ist schwanger. Auch das haben die beiden in einem Youtube-Video verkündet: Monalisa Perez erwartet von Ruiz einen Jungen.

© SZ vom 01.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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