USA:Fallende Pegel, steigende Pegel

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Die Menschen drängen sich vor den ersten wiedereröffneten Supermärkten in Houston. (Foto: Brendan Smialowski/AFP)

Während die verheerenden Überschwemmungen rund um Houston abfließen, während man den Wiederaufbau plant und die Aufräumarbeiten beginnen, drohen andernorts bereits neue Gefahren.

Von Max Muth, Houston

Zum ersten Mal seit vergangenem Samstag liegt wieder eine aktuelle Zeitung an der Tankstelle. Der Houston Chronicle hat während der Flut zwar immer wieder Exemplare in Notunterkünfte geliefert, doch woanders war für die Lieferanten einfach kein Durchkommen.

Man sieht sie eben doch, die kleinen Zeichen der Besserung. Einige Supermärkte haben in Houston wieder geöffnet. Auch die beiden Flughäfen haben den Betrieb teilweise wieder aufgenommen. Doch die Stadt ist noch lange nicht über den Berg. Bis zum Freitag wurden mindestens 38 Tote im Zusammenhang mit Sturm Harvey gezählt. Die wirtschaftlichen Schäden in der Region werden auf eine dreistellige Milliardensumme geschätzt. Und laut der Schätzung einer US-amerikanischen Analysefirma sind 70 Prozent der Zerstörungen durch keine Versicherung abgedeckt.

Das Weiße Haus kündigte nun an, den Kongress um einen Notfallfonds für den Wiederaufbau in Texas und Louisiana zu bitten, auch viele Prominente wollen spenden. Es ist auch noch nicht zu Ende: Nun bewegt sich der Hurrikan Irma auf die Karibik zu und der Tropensturm Lidia auf Mexiko.

Erst in der Nacht auf Donnerstag war es in einer Chemiefabrik in Crosby, einem Vorort von Houston, infolge der Unwetter zu zwei Explosionen gekommen, Feuer brach aus. Laut der örtlichen Polizei mussten 15 Beamte im Krankenhaus behandelt werden. Die Behörden haben das Gebiet rund um die Fabrik evakuiert. Der Vizechef der Feuerwehr von Harris County sprach von Vorsichtsmaßnahmen. Der Rauch sei ungefährlich: "Es ist, als würden Sie den Rauch eines Lagerfeuers einatmen. Das wollen Sie nicht." Ein Sprecher der französischen Betreiberfirma Arkema hingegen sagte: "Der Rauch ist schädlich. Giftigkeit ist relativ." Keine beruhigende Feststellung für die Menschen, die gerade an den Folgen der größten Flutkatastrophe der US-Geschichte leiden. Zumal der Betreiber davon ausgeht, dass es noch weitere Explosionen geben wird.

Crosby liegt im Nordwesten von Houston, am Highway 90 Richtung Louisiana. Der Highway war bis dahin die einzige gut befahrbare Verbindung zwischen Houston und den beiden Städten Beaumont und Port Arthur östlich der Stadt. Nun ist er teilweise gesperrt. Kleinere Landstraßen, auf die viele Reisende ausweichen, werden immer wieder überspült, für Autos gibt es kein Durchkommen. Einige Trucks wagen es trotzdem, doch ein Restrisiko bleibt. Zumal die Pegel in der Gegend immer noch ansteigen. In Port Arthur steht fast das gesamte Stadtgebiet unter Wasser, sogar Notunterkünfte wurden überschwemmt - hier hatte Harvey am Mittwoch gewütet, als er zum zweiten Mal das Festland erreichte. Es ist ein bizarrer Anblick: Nur die Hauptstraße und ein paar höher gelegene Straßen sind im Schritttempo befahrbar. In Beaumont mussten 200 Patienten aus einem Krankenhaus in Sicherheit gebracht werden.

Derlei hat die Gegend rund um Houston bereits hinter sich. Doch nicht nur George Arcement, der mit seiner Familie in einem Möbelhaus in Richmond Unterschlupf gefunden hat, wird noch einige Tage auf seine Rückkehr warten müssen. Denn sein Haus liegt am Brazos River. Und für den wurde am Freitag ein neuer Rekordpegel erwartet. Irgendwo muss das abfließende Wasser ja hin.

© SZ vom 02.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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