US-Bundesstaat Michigan:Nervensägen erlaubt

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Bald dürfen sich die Bürger von Grand Rapids wieder legal wie Trottel aufführen. Die Stadt im US-Bundesstaat Michigan will eine Vorschrift abschaffen, die genau dies verboten hat. Das könnte auch dem Tourismus nutzen.

Von Sonja Salzburger

Grand Rapids ist eine Stadt in Michigan, die schon mal bessere Zeiten gesehen hat. Einst galt sie in den USA als Zentrum der Möbelindustrie und war besonders bei niederländischen Einwanderern sehr beliebt. Mittlerweile ziehen immer mehr Menschen weg. 2011 veröffentlichte das US-Magazin Newsweek ein Ranking mit "Amerikas sterbenden Städten" - Grand Rapids landete auf Platz zehn.

Damals ließ sich der junge Eventmanager Rob Bliss etwas Besonderes einfallen, um der Stadt wieder zu mehr Glanz zu verhelfen. Er drehte ein Musikvideo, in dem 5000 Bürger ausgelassen zu Don McLeans Hymne "American Pie" tanzen, mit der passenden Refrain-Zeile "This will be the day that I die". Ganze Straßenzüge wurden für die Dreharbeiten abgesperrt. Mit dem Video wollte Bliss beweisen, dass Grand Rapids alles andere als tot ist.

Nun hat die Stadtjuistiziarin Catherine Mish ebenfalls die Mission, Grand Rapids wieder attraktiver zu machen. Sie möchte, dass alle Vorschriften und Gesetze eindeutig sind, damit es in der Stadt keine unangenehmen Diskussionen über die Auslegung gibt. Ihr jüngster Vorschlag: eine Freifahrtschein für Nervensägen. Mish will eine 38 Jahre alte Vorschrift abschaffen, die den Menschen verbietet, ihre Mitmenschen absichtlich zu ärgern.

Viele Menschen wissen nicht, wie nervig sie sind

Die Regel sei nicht umsetzbar, zitiert die Nachrichtenseite MLive die Stadtjustiziarin. Der Grund: die Formulierung "no person shall willfully annoy another person" ("Niemand darf einen anderen mit Absicht ärgern") sei zu vage und ließe zu viel Spielraum für Interpretationen.

Wahrscheinlich eine kluge Entscheidung. Es gibt mit Sicherheit genügend Leute, die andere Menschen mit ihrem Verhalten wahnsinnig ärgern, ohne es zu merken. Weiß der Nachbar von gegenüber zum Beispiel, dass er der ganzen Straße auf die Nerven geht, wenn er sich jeden Samstagmorgen auf seinen tiefer gelegten Aufsitzmäher schwingt, um mit einer höllischen Lautstärke den Rasen zu mähen? Ist der verliebten Facebook-Freundin bewusst, dass ihre permanenten Status-Updates à la "Frühstück im Bett mit Schatzi - ich hab den tollsten Mann der Welt" allen frisch Getrennten und unglücklich Verliebten den Appetit verderben? Versteht der ältere Herr, der mit 60 Stundenkilometern über die Autobahn schleicht, dass er für alle, die es eilig haben, ein Verkehrshindernis ist?

Der Opfer all dieser Ärgernisse nimmt sich Stadtjustiziarin Mish jetzt an. Sollte sich ihr beherztes Vorgehen herumsprechen, könnte Grand Rapids womöglich für Nervensägen schon bald das werden, was Las Vegas für Spieler ist. Schon bald könnte die Stadt einen Großteil ihrer Einnahmen durch den Tourismus bestreiten, weil Menschen aus der ganzen Welt nach Grand Rapids strömen, um sich endlich einmal mit dem Segen der Stadtverwaltung wie Vollidioten zu benehmen.

Den rasenmähenden Nachbarn, die nervige Facebook-Freundin und den über die Autobahn schleichenden Rentner könnte man dann darauf hinweisen, dass es einen Ort gibt, an dem sie sich ungehemmt austoben können.

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