Unwetter:Stürmischer Frühling

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Orkantief "Niklas" fegt durch Deutschland. In Bayern, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz kommen vier Menschen ums Leben. Bei der Bahn herrscht Chaos: Viele Reisende sitzen fest.

Von Elena Adam und Martin Zips

Während des Orkans Niklas sind in Deutschland bis zum Dienstagabend vier Menschen ums Leben gekommen. In Rheinland-Pfalz erschlug ein umgestürzter Baum zwei Männer. Wie die Polizei mitteilte, fiel er bei Montabaur auf ein Dienstfahrzeug der Straßenmeisterei. Rettungskräfte konnten die Opfer nur noch tot aus dem Wrack bergen. Wie die Polizei in Bayern am Abend mitteilte, kam eine Autofahrerin im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen ums Leben, als ein Baum auf ihr fahrendes Auto stürzte. In Sachsen-Anhalt starb ein Mann nach Behördenangaben, als er von einer umstürzenden Betonmauer begraben wurde. Niklas' Windgeschwindigkeit erreichte auf dem niedersächsischen Brocken laut Deutschem Wetterdienst einen Höchststand von 162 Kilometern pro Stunde. Das seien "extreme Orkanböen", hieß es. Vor allem im Schienenverkehr sorgte der Sturm für Chaos. Die Deutsche Bahn musste im Laufe des Tages in mehreren Regionen den Nahverkehr komplett stoppen. In Bayern wurde auch der Fernverkehr am Nachmittag eingestellt und der Münchner Hauptbahnhof auf unbestimmte Zeit gesperrt. Laut Bundespolizei hatte das Unwetter im Bereich der Gleise eine Glasscheibe zum Bersten gebracht, Splitter waren auf die Gleise gefallen. Es wurde niemand verletzt, aber aus Sicherheitsgründen wurde die Halle evakuiert. Bundesweit saßen Zehntausende Reisende und Pendler fest. Von Nürnberg nach Passau und nach Hof fielen die Züge aus, ebenso wie die Verbindungen zwischen München und Landshut sowie nach Ingolstadt und Garmisch-Partenkirchen. In Nordrhein-Westfalen ging ebenfalls nichts mehr. Das Ruhrgebiet war von Zügen fast völlig abgeschnitten. "Wir hoffen, den Nahverkehr mit Betriebsbeginn am Mittwoch wieder aufnehmen zu können", sagte eine Bahnsprecherin in Düsseldorf. Man müsse abwarten. Gegen 16.30 Uhr stellte das Unternehmen dann den Regionalverkehr in Niedersachsen ein, später auch den Fernverkehr. In der Nähe von Osnabrück stürzten Bäume auf einen Intercity-Zug, der mit etwa 350 Menschen besetzt war. Die Sache ging glimpflich aus. Etliche S-Bahnen, zum Beispiel in München und Hannover, fuhren nicht mehr. In München soll auch an diesem Mittwochmorgen nur ein Teil der Bahnen wieder in Betrieb gehen. "Die Sturmschäden, vor allem an den Oberleitungen sind so erheblich, dass es noch mehrere Tage dauern kann, bis wieder alle Linien bedient werden können", teilte die Bahn mit. Auch im Regional- und Fernverkehr werde es am Mittwoch noch Ausfälle geben. "An dem Sturm hängt eine Kaltfront", hatte der Wetterdienst zuvor erklärt. Während im Voralpenraum das Thermometer schon auf bis zu 17 Grad Celsius kletterte, schneite es bereits dort, wo der Sturm langsam wieder schwächer wurde.

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(Foto: Ingo Wagner/dpa)

K.O. an der Nordseeküste: Im niedersächsischen Neuharlingersiel fegten "Niklas'" Sturmböen sämtliche Strandkörbe um.

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(Foto: Christof Stache/AFP)

Sturmfrisur: Der Wind ist bekanntermaßen stärker als die meisten Haarsprays. Verwehte Haare waren allerdings am Dienstag noch das geringste Übel.

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(Foto: Peter Kneffel/dpa)

Mit rund 150 Kilometern pro Stunde erreichte das Tief fast komplett Deutschland - hier wütet der Sturm am Ufer des bayerischen Starnberger Sees.

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(Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Ab 117 Stundenkilometern sprechen Meteorologen von einem Orkan. In Coppenbrügge (Niedersachsen) sorgt das für abgestürzte Dachziegel.

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(Foto: Boris Roessler/dpa)

In der hessischen Hauptstadt Frankfurt am Main wird am Vormittag eine Frau mitsamt ihrem Schirm von einer heftigen Windböe überrascht.

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(Foto: Hendrik Schmidt/dpa)

Das Aprilwetter macht auch vor Sachsen nicht halt: Die Windböen treffen einen Marktstand in Halle (Saale) und blähen die Zeltwände auf.

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(Foto: Markus Joosten/dpa)

In Nordrhein-Westfalen macht "Niklas" schon früh morgens vielen Pendlern das Leben schwer. Ein Mann zersägt in Hünxe einen vom Sturm umgekippten Baum.

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(Foto: Federico Gambarini/dpa)

Außerdem musste in Nordrhein-Westfalen der komplette Nahverkehr eingestellt und in Bayern die ICE-Strecke zwischen Augsburg und München gesperrt werden.

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(Foto: Patrick Seeger/dpa)

Im baden-württembergischen St. Märgen verwandeln neben dem Sturm auch noch dunkle Wolken eine Baumallee in ein beängstigendes Szenario.

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(Foto: Peter Kneffel/dpa)

Waghalsiges Unterfangen: Ein Surfer auf dem Ammersee trotzt dem Orkan und nutzt den kräftigen Wind vor den Alpen mit seinem Board für einen Sprung.

Polizisten und Feuerwehrleute waren bundesweit im Dauereinsatz.

So landeten im ganzen Land Bäume, Verkehrsschilder und gefährlicher Unrat auf Straßen und Gleisen, und es gab etliche Verletzte. Dächer von Supermärkten und Lagerhallen drohten abgedeckt zu werden. Im Frankfurter Bahnhofsviertel stürzte ein 15 Meter hohes Baugerüst auf parkende Autos. Auch Lastzüge wurden einfach umgeweht, wie etwa auf der A9 Nürnberg-München. Oder sie wurden - wie auf der A 93 bei Pentling - in der Fahrt um 180 Grad gedreht. In Erlangen löste sich ein Steinkreuz von einer Kirche und zerstörte das Dach des Gotteshauses. Die bayerische Schlösserverwaltung warnte vor dem Besuch ihrer Gärten, in Hannover, Wuppertal, Dortmund, Nürnberg, Augsburg und München machten die Zoos dicht. Auch die 2962 Meter hohe Zugspitze (hier erreichten die Böen bis zu 192 Kilometer pro Stunde) und zahlreiche Skigebiete wurden fürs Publikum gesperrt. Das Gleiche galt für viele Freizeitparks und das Bremer Volksfest Osterwiese.

"Kaum ist der eine Baum aufgeräumt, stürzt der nächste um."

Bei Pegnitz in Oberfranken fuhr ein mit 140 Passagieren besetzter DB-Regionalexpress auf im Gleis liegende Baumstämme. Der Lokführer und ein weiterer Bahnmitarbeiter wurden leicht verletzt. Beide konnten sich kurz vor dem Aufprall jedoch in den hinteren Teil des Triebwagens in Sicherheit bringen. Ein Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd fasste den Tag so zusammen: "Kaum ist der eine Baum aufgeräumt, stürzt der nächste um."

Probleme meldete auch Deutschlands größter Flughafen in Frankfurt. Am Mittag sprach der Betreiber Fraport von etwa 40 ausgefallenen Starts und Landungen.

Am frühen Dienstagabend kamen erste Entwarnungen. "Im nördlichen Nordrhein-Westfalen wurden die Unwetterwarnungen aufgehoben", teilte der Wetterdienst mit. Im Sieger- und Sauerland warnten die Meteorologen indes weiter vor Böen. Niklas soll in der Nacht über den Nordosten abziehen. Auch der Mittwoch bleibe stürmisch. "Das Gröbste ist dann aber vorbei", so der Wetterdienst.

© SZ vom 01.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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