Tiere:Mein Name war Hase

Lesezeit: 2 min

Einer von gar nicht mal so vielen: Ein Feldhase sitzt auf einer Wiese in der Nähe von Lützow (Mecklenburg-Vorpommern). (Foto: Jens Büttner/dpa)

Der Bestand der Feldhasen geht seit Jahren zurück. In Deutschland sind nur noch zwischen zwei und drei Millionen dieser Tiere unterwegs. Schuld daran sind nicht Jäger, sondern die Landwirtschaft.

Von Susanne Höll

Wer dieser Tage bei Nacht Autos sieht, in denen Menschen mit Kapuzenpullis sitzen und mit Handscheinwerfern fuchteln, muss keine Angst haben. Die Insassen sind weder Wilderer, noch planen sie sonstige kriminelle Dinge. In den Wagen sitzen Jäger mit Sondermission. Sie zählen die Feldhasen in ihren Revieren.

Das funktioniert so: Zwei Leute fahren ausgewählte Äcker und Wiesen ab. Aus dem Seitenfenster hält der Beifahrer einen Scheinwerfer. Wenn etwas hoppelt und eine silbrige Reflexion aus einem Tierauge aufblinkt, ist ein Hase unterwegs. Der Lepus europaeus trägt seine Augen an der Seite. Mit Kaninchen sind sie nicht zu verwechseln, die schlafen nachts. Zwei silbrige Lichter gehören zur Katze, zwei gelbe zum Fuchs. Die Resultate werden gesammelt, addiert und bundesweit hochgerechnet. Die Bilanz ist seit Jahren ziemlich enttäuschend.

Der Bestand an Feldhasen, der seit den 60er-Jahren dramatisch schrumpfte, will und will nicht deutlich wachsen. Zwischen zwei und drei Millionen Feldhasen sind in Deutschland noch unterwegs, vor 50 Jahren waren es Abermillionen mehr. Im Norden ist die Lage etwas besser, im Süden und Osten schlechter. Wer heutzutage das Spektakel von Rammler-Boxkämpfen um paarungswillige Häsinnen beobachten möchte, fährt am besten noch auf eine Nordseeinsel.

Entlang der Äcker verschwinden die Raine, auf denen die Tiere Pflanzen und Kräuter suchen

Die Jäger tragen nicht die Hauptschuld am Niedergang der Spezies. Es ist die intensive Landwirtschaft, die den Tieren kaum Nahrung und Lebensraum lässt. Entlang der Äcker verschwinden die Raine, auf denen der Hase Pflanzen und Kräuter sucht. Auch die Jagdzahlen gehen seit Jahren zurück. Wurden 2006/2007 bundesweit noch 465 163 erlegte Hasen gemeldet, waren es 2016/2017 nur noch 212 452.

Etwa die Hälfte von ihnen starb nicht an Schüssen, sondern durch andere Gewalt: Meistens wurden sie von Autos überrollt. Vernünftige Jäger legen bei geringen Beständen überhaupt nicht mehr an, andernorts wird, so beteuern Vertreter von Jagdverbänden, mit Augenmaß gejagt, entsprechend dem Resultat der Zählungen. Die sind meistens freiwillig. Allein in Hessen ist die Zählung Vorschrift.

Aber warum macht man überhaupt noch Jagd auf eine bedrohte Art? Wenn es die Bestände hergäben, dürfe man auch schießen, sagt Torsten Reinwald vom Deutschen Jagdverband. Der Verzicht in Gebieten mit höherer Dichte würde hasenarmen Regionen auch nicht zugutekommen. Der Feldhase sei standorttreu, wandere nicht durch die Lande. Dass sie auch das fettarme, nussige Fleisch lockt, geben viele Jäger öffentlich nur ungern zu.

Auch Naturschützer machen nicht in erster Linie die Jäger für den Niedergang verantwortlich, finden aber, man sollte die Hasen für einige Zeit komplett in Ruhe lassen. "Die Flinte für drei Jahre ins Korn werfen und schauen, was passiert", rät der Wildbiologe Sebastian Kolberg vom Nabu-Bundesverband. Das wünschte sich auch Jörg Nitsch, Vorstandsmitglied im hessischen BUND-Landesverband. Er macht sich aber keine Illusionen über einen freiwilligen Verzicht. "Wir wissen doch, dass ein Jäger immer jagen möchte."

© SZ vom 21.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: