Sturm über Deutschland:Wetter fährt Achterbahn

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Sturm auf Sylt: Spaziergänger trotzen in Hörnum den Winden (Foto: dpa)
  • Umstürzende Bäume, Sturmfluten und Überschwemmungen: Orkanböen zogen am Wochenende über große Teile Europas hinweg. Stürmisch soll es bleiben.
  • Nach dem Orkantief vom Wochenende können Feuerwehr und Polizei wenigstens in Bayern aufatmen - zwar waren sie oft im Einsatz, doch größere Schäden blieben aus.

Es soll stürmisch bleiben

Nach dem Sturm ist vor dem Sturm: Auch in den kommenden Tagen wird es in Deutschland kräftig wehen. Bis Freitag müsse noch mit starken bis stürmischen Böen, an den Küsten und im Bergland vereinzelt sogar mit orkanartigen Böen gerechnet werden, teilte der Deutsche Wetterdienst am Sonntag in Offenbach mit.

Der Höhepunkt werde am Donnerstagnachmittag und in Nacht auf Freitag erwartet, sagte Meteorologe Lars Kirchhübel. An diesem Sonntag soll der Wind etwas abschwächen. Vor allem im Norden und Nordosten bleibt es zwar stürmisch, aber nur in exponierten Lagen an Küsten und im Bergland sollen noch orkanartige Böen möglich sein.

Nachdem am Montag Schneeschauer bis in tiefe Lagen möglich seien, kletterten die Temperaturen von Dienstag bis Donnerstag auf bis zu 15 Grad. "Das ist so ein bisschen Achterbahnfahrt", sagte Kirchhübel. Eine richtig winterliche Witterung sei aber nicht absehbar. Dominiert werde das Wetter weiter von einer starken westlichen Strömung, die warme Luft vom Atlantik nach Deutschland bringe.

Am Samstag wurde den Angaben zufolge sogar ein neuer bundesweiter Januar-Temperaturrekord gemessen. Im bayerischen Piding nahe der Grenze zu Österreich waren es frühlingshafte 20,5 Grad - ein Grad mehr als beim bisherigen Rekordwert aus dem Jahr 2007, der ebenfalls in Piding aufgestellt worden war.

Gleich mehrere lokale Rekorde purzelten in der Nacht von Freitag auf Samstag: An der Station Perl-Nennig im Saarland etwa lag der nächtliche Tiefstwert bei 11,4 Grad - der höchste, der dort jemals in einer Januarnacht erfasst wurde. "Damit dürfte der 10. Januar 2015 als wärmster Januartag in die Geschichte eingehen", teilte der Deutsche Wetterdienst mit. Tauwetter ließ vor allem in Niederbayern und der Oberpfalz die Pegel der Flüsse steigen, Überschwemmungen waren die Folge.

Gestern und vorgestern hatten Stürme in Mitteleuropa erhebliche Sachschäden angerichtet. In Deutschland waren wegen des Sturmtiefs Felix mehrere Bahnstrecken zeitweise lahmgelegt. Umgestürzte Bäume hatten etliche Gleise blockiert und den Fernverkehr in Norddeutschland ausgebremst. Vor allem die Strecken von und nach Hamburg waren von den Unwettern betroffen. Die Verbindungen zwischen der Hansestadt und den Bahnhöfen in Berlin, Bremen, Hannover und Dortmund waren stundenlang unterbrochen.

Bei Unfällen starben mehrere Menschen. Allein in Brandenburg erlitten vier Menschen - ein Fußgänger und drei Autoinsassen - durch umstürzende Bäume schwere Verletzungen. In mehreren Bundesländern kamen Fahrzeuge durch Böen von der Straße ab oder kippten einfach um . Bei Starkregen wurde am Samstag der Fußball-Profi Junior Malanda vom VfL Wolfsburg auf einer Autobahn in Nordrhein-Westfalen aus dem Auto geschleudert und tödlich verletzt.

Wintereinbruch im Nahen Osten

Besonders schlimm traf der Winter den Nahen Osten: Ein Sturm brachte am Samstag neuen Schnee nach Jerusalem. Im südlichen Gazastreifen erfroren nach Medienberichten zwei Babys. Im Libanon starben vier Gastarbeiter aus Bangladesch nach einem Schneesturm. Die Männer hätten in kalten Unterkunft im nordlibanesischen Dunnija geschlafen, meldete die libanesische Nachrichtenagentur NNA. Das eisige Wetter setzt vor allem den mehr als einer Million syrischen Flüchtlingen zu.

Stürme wüteten auch in anderen Ländern: In Polen wurden mindestens zwölf Menschen verletzt. Wie der TV-Sender TVN24 berichtete, waren darunter zwei Feuerwehrleute. Mehr als 200 000 Haushalte waren am Sonntag ohne Strom. Die Stürme rissen auch in den Nachbarländern Tschechien und Slowakei Dächer von den Häusern und ließen Bäume auf Straßen und Eisenbahnverbindungen stürzen. In allen drei Ländern wurde vor Hochwasser gewarnt.

Im britischen Seebad Brighton ging eine Mutprobe in stürmischer See tödlich aus: Die Polizei bestätigte am Sonntag, dass zwei Leichen gefunden wurden. Die Opfer zählten zu einer Gruppe von fünf Briten, die am späten Freitagabend bei stürmischem Wetter an den Strand gegangen waren. Einer von ihnen wurde zur Mutprobe aufgefordert, sich an den Meeresrand zu stellen, und wurde sofort von einer großen Welle erfasst. Ein Freund ertrank beim Rettungsversuch.

Im dänischen Aalborg stürzte die Giebelwand eines vierstöckigen Hauses bei einem Unwetter zusammen. 29 Bewohner mussten sich einen anderen Schlafplatz suchen. Die Brücke über den Großen Belt und die Öresundbrücke waren zwischenzeitlich für den Verkehr gesperrt. Viele Schweden und Norweger hatten keinen Strom und saßen im Dunkeln.

In Moskau legte starker Schneefall den Verkehr am Sonntag zeitweise lahm. Der Flughafenverwaltung zufolge hatten Dutzende Verbindungen zum Teil erheblich Verspätung, einige wurden ganz gestrichen. Im Einsatz seien rund 15 000 Schneepflüge und etwa 35 000 Räumkräfte, sagte der Vizebürgermeister der größten Stadt Europas, Pjotr Birjukow, der Agentur Interfax zufolge.

Weitere Sturmfluten an der Nordseeküste erwartet

Auch der deutschen Nordseeküste stehen weitere Sturmfluten bevor. Allerdings sollten die Pegel nicht mehr so hoch steigen, sagte die Sprecherin des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN), Herma Heyken, am Sonntag. Nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes (DWD) sollte es in Niedersachsen und Bremen am Sonntag stürmisch bleiben, vereinzelt seien orkanartige Böen und Glatteis möglich.

An der Südspitze der Insel Sylt sind in der Nacht zu Sonntag auf einer Länge von 500 Metern Abbrüche an Randdünen entstanden. Bis zu 19 Meter seien beim Nachthochwasser verloren gegangen, sagte Johannes Oelerich, Leiter des Landesbetriebs für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz Schleswig-Holstein, in Hörnum auf Sylt. "Beim vorletzten Hochwasser waren es sieben Meter." Die Schäden seien aber dennoch kein Vergleich zu den Verlusten, die etwa der Sturm "Xaver" 2013 verursacht habe.

Am stärksten war die Sturmflut in der Nacht zum Sonntag - mit einem Wasserstand von etwa zwei Metern über dem mittleren Tidehochwasser auf Norderney. Am Festland wurde die Zwei-Meter-Marke deutlich geknackt, wie Heyken sagte. In Otterndorf wurden 2,72 Meter gemessen, am Emssperrwerk bei Gandersum nahe Leer 2,66 Meter. Bei derartigen Wasserständen stehen in der Regel Strände und Hafenflächen unter Wasser.

Bis Montag solle es insgesamt sechs Sturmfluten binnen drei Tagen geben, sagte Heyken. Eine solche Serie von Sturmfluten bezeichnete sie als "ungewöhnlich". Für die Sturmflut am Sonntagnachmittag sind laut Landesbetrieb Pegelstände bis zu 1,75 Meter am Festland und bis zu 1,5 Meter auf den Inseln angekündigt. Die Deiche seien sicher und unbeschädigt, denkbar seien aber Dünenabbrüche auf den Inseln.

Kleinere Schäden in Bayern

Die Stürme Felix und Elon fegten am Wochenende auch über Bayern hinweg und haben Bäume umgeknickt, Baugerüste umgeworfen und Dachziegel fortgeweht. Größere Schäden blieben jedoch aus, verletzt wurde hier niemand. Der Sturm blies zunächst auch suptropische Luftmassen nach Bayern. Am Samstag kletterten die Temperaturen in manchen Teilen des Freistaats auf frühlingshafte 20 Grad. Dafür stürzten die Temperaturen am Sonntag wieder ab und es gab Schneeschauer.

Die Feuerwehr war vor allem wegen entwurzelter Bäume oder herabfallenden Ästen im Einsatz, drei Bahnstrecken waren zeitweise blockiert. Außerdem gab es einige kleinere Sachschäden. Das Tauwetter ließ vor allem in Niederbayern und der Oberpfalz die Pegel der Flüsse steigen, einzelne Überschwemmungen waren die Folge. In einigen Skigebieten legte der starke Wind den Betrieb lahm.

Auch an der Grenze zu Österreich kam es zu Schäden. Häuser wurden abgedeckt und mehrere Straßen waren vorübergehend gesperrt. In Oberösterreich stürzte ein Glasdach ein, die Trümmer beschädigten die Filiale einer Bank. In München war die Feuerwehr in der Nacht zu Sonntag 21 Mal im Einsatz, in der Vornacht 180 Mal. Nürnbergs Feuerwehr meldete am Sonntag 19 Sturmeinsätze, Niederbayern lediglich zwei Einsätze. Hierbei handelte es sich vor allem um umgestürzte Bäume und Baugerüste, abgebrochene Äste und überflutete Fahrbahnen.

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