Stilkritik:Schnaps

Der "Mexikaner" stammt eigentlich aus Hamburg. (Foto: Achim Schleuning/CC-BY-SA 4.0)

Der "Mexikaner" genannte Schnaps ist freilich ebenso wenig mexikanisch wie der Hamburger hamburgerisch. Jetzt soll er ein Zeichen gegen Trump setzen. Dabei war Schnaps schon immer eine hochpolitische Angelegenheit.

Von Martin Zips

Der "Mexikaner" genannte Schnaps ist freilich ebenso wenig mexikanisch wie der Hamburger hamburgerisch. Aber egal. Durch ihn soll jetzt ein Zeichen gesetzt werden, gegen grenzdebile Grenzmauerpläne des US-Präsidenten. Und was eignet sich für die Lösung von Problemen besser als die Theke einer Kneipe?

Rechtzeitig vor dem G-20-Gipfel im Juli haben etwa 20 Hamburger Kneipenbesitzer eine gemeinsame Aktion gestartet: An ihren Theken verkaufen sie jetzt den (in St. Pauli erfundenen) "Mexikaner"-Tomatenschnaps und wollen den Erlös für "Anti-G-20-Aktionen" spenden. Vermutlich zum Kauf von Transparenten oder Protest-Pfeifen.

Schnaps, das war schon immer eine hochpolitische Angelegenheit. Entweder man trinkt ihn ("Der Bundestag ist eine unglaubliche Alkoholikerversammlung, die teilweise ganz ordinär nach Schnaps stinkt", Joschka Fischer, 1983) oder man verschmäht ihn (Edmund Stoiber verwendete 1998 Salbeitee statt Alkohol). Unpolitisch ist das nie. Aus Protest gegen die Politik Putins wird in vielen Schwulenklubs im Westen derzeit kein Wodka ausgeschenkt. Während der Verhandlungen über die deutsche Einheit wiederum war eine gewisse Trinkfestigkeit nur von Vorteil.

Die Sache mit dem Hamburger Thekenprotest also geht insgesamt schon in Ordnung. Blöd wär's am Ende nur, wenn während des G-20-Gipfels draußen zwar Tomatenschnaps, drinnen aber Bourbon, Wodka und Rakı - womöglich sogar durcheinander - gesoffen wird. In einem solchen Fall sollte man, ganz nüchtern betrachtet, alle Hamburgerinnen und Hamburger noch schnell durch den Bau einer Mauer schützen.

© SZ vom 09.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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