Stilkritik:Pommesbude

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Maison Antoine ist nicht irgendein Frittenladen in Brüssel, es ist ein Haus großer Kunst, selbst die Kanzlerin war schon hier. Nun wurde die Pommesbude abgerissen.

Von Alexander Mühlauer

In Brüssel, an der Place Jourdan, gibt es eine Pommesbude, die frittiert so gut, dass die Leute dort eigentlich immer Schlange stehen, außer im Morgengrauen, da hat Antoine leider zu. Hätte er auf, würde es den ein oder anderen nach einer durchtanzten Nacht ganz sicher dorthin ziehen. Maison Antoine ist nämlich nicht irgendein Frittenladen, es ist, wie der Name schon sagt, ein Haus, und zwar eines großer Kunst. Es ist etwas, worauf die Belgier stolz sind; und das muss man erst einmal schaffen, denn es gibt ja nicht viel, was dieses Königreich zusammenhält. So zerrissen das Land auch ist, so sehr Flamen und Wallonen streiten, bei drei Dingen sind sie sich einig: Bier, Schokolade und eben Fritten. Das können die Belgier, wie sie glauben, auf dieser Welt am besten. Und da ist, zumindest was Pralinen und Pommes betrifft, auf jeden Fall was dran.

Umso betrüblicher ist es, dass Maison Antoine nun am Dienstag abgerissen wurde. Gegründet 1948 in einer Baracke, frittierte Antoines Familie seit mehr als 30 Jahren in dieser Auberge. Die dritte Generation macht zum Glück weiter, nur eben in einem neuen durchgestylten Kasten, der den Charme der alten Maison niemals erreichen kann. In nur fünf Monaten soll "la friterie new-look", so schwärmen die Architekten, fertig sein. Alles werde besser, für die Mitarbeiter und für die Kunden sowieso. Zu befürchten ist natürlich das absolute Gegenteil. Die Pommes werden sicher weiterhin sehr gut schmecken, aber alles andere geht einem jetzt schon ab. Den Frittiergeruch etwa, der schon der hungrigen Kanzlerin bei einem EU-Gipfel den Weg wies, soll es nicht mehr geben, wegen der neuen Abzugsanlage.

Und dann war da noch dieser wunderbar altmodische Leuchtschriftzug, der das Licht der Abendsonne, dieses dämmrige Gelborange, mit in die Nacht hinein nahm. Allein diese Wärme wird einfach fehlen, wenn man im saukalten LED-Licht bei Antoine in der Schlange steht und der Wind mal wieder ganz besonders belgisch frisch weht.

© SZ vom 12.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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