Sicherheit in Kohlegruben:Rettung aus der Tiefe

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Erschöpfte Kumpel im türkischen Soma, wo bei einem Grubenunglück Hunderte Bergarbeiter gestorben sind (Foto: Getty Images)

Staub, Gas, Hitze: Wenn es zu einem Grubenunglück wie dem in der Türkei kommt, sollen eine Vielzahl von Sicherheitsmaßnahmen die Leben der Kumpel retten. Viel Zeit bleibt nicht.

Von Christopher Schrader

Zwei Schächte und ein großer Ventilator - das sind die Grundvoraussetzungen, um überhaupt ein Bergwerk zu betreiben. Durch den einen Schacht strömt Frischluft in die Stollen und Strecken, aus dem anderen saugt der Ventilator die verbrauchte Luft zusammen mit allen entstandenen Abgasen wieder an die Oberfläche. "Wetter" nennen deutsche Bergleute all die Gase, die sie aus ihrer Grube entfernen wollen, sie unterscheiden matte, böse und schlagende. Untertage herrscht also ständig ein Luftzug, der Substanzen wie Kohlendioxid, Kohlenmonoxid, Schwefelwasserstoff oder das Grubengas Methan verdünnt und davonträgt, sodass sie sich nirgends ansammeln. Sackgassen müssen gesondert versorgt werden, sagt Per Nicolai Martens von der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen. "An das Ende jeder Strecke muss die Frischluft durch ein Rohr oder einen dicken Schlauch geblasen werden."

Wie hoch die Wettermenge ist, besagen die jeweiligen Bestimmungen der einzelnen Bergwerke. Als Untergrenze gelten zwei Kubikmeter pro Minute für jeden Bergmann. Dazu kommen Zuschläge für Gase, die aus der abgebauten Kohle strömen oder aus den Arbeitsgeräten austreten. Wo früher oft Pferde eingesetzt wurden, kommen heute gelegentlich Dieselfahrzeuge und -motoren zum Einsatz. Meist werden Transportgeräte und Werkzeuge aber elektrisch oder per Druckluft aus einem ebenfalls elektrischen Kompressor betrieben. Darum stehen unter Tage oft Transformatoren, die den von oben eingespeisten Strom auf das benötigte Spannungsniveau übertragen.

Es gibt Atemmasken - aber sie halten nur eine Stunde

Für solche Großgeräte gibt es in Deutschland genaue Vorschriften, damit sie in einem Bergwerk eingesetzt werden können, sagt Jörg Weber vom Deutschen Ausschuss für das Grubenrettungswesen in Clausthal-Zellerfeld. Sie müssen in Kohlegruben explosionsgeschützt sein, damit kein Zündfunke nach außen dringt. Außerdem muss ihre Wärmeentwicklung unter einem angegebenen Wert bleiben. Grundsätzlich aber kann es passieren, dass sich Transformatoren bei einer Überlastung erhitzen und anfangen zu brennen; womöglich fängt dann ein für die Isolation und Kühlung der Spulen genutztes Öl Feuer. Dabei kann sich Kohlenstaub oder Grubengas in der Luft entzünden. Haben sich diese "schlagenden Wetter" um einen Brandherd angesammelt, kann es auch zur Explosion kommen. In intensiver Hitze bricht dann womöglich Feuer in der bereits geförderten oder sogar in der noch im Flöz steckenden Kohle aus.

Ein solcher Brand erzeugt schnell sehr viel giftige Gase. Außerdem - und das ist womöglich in der Türkei passiert - fällt mit dem Strom im schlimmsten Fall die Bewetterung aus. In der Hitze steigen die Brandgase unkontrolliert auf, es kann zur "Wetterumkehr" kommen. Als erste Sicherungsmaßnahme tragen Bergleute eine Art Atemmaske, Selbstretter genannt. Davon gibt es mehrere Varianten. Bei den einfachen dient eine Art Filter dazu, giftiges Kohlendioxid zu neutralisieren; sie halten ein, zwei Stunden, helfen aber nur, wenn die Grubenluft genug Sauerstoff enthält. Daneben gibt es Masken, in denen eine Kaliumverbindung chemisch gebundenen Sauerstoff freisetzt. Doch die Zeit ist begrenzt, die Bergleuten in Not bleibt, um Bereiche der Grube zu erreichen, in denen sie ausreichend Frischluft bekommen: Selbst mit diesen Masken haben sie allenfalls eine Stunde.

© SZ vom 15.05.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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