Schweiz: Steuersünder-CD:Tod im Gefängnis

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Ein angeblicher Lieferant von Schweizer Bankkunden-Daten hat sich im Untersuchungsgefängnis das Leben genommen. Die CD soll an deutsche Steuerbehörden verkauft worden sein. Wer war der Mann?

Hans Leyendecker

Ein angeblicher Lieferant von Schweizer Bankkunden-Daten, die an deutsche Steuerbehörden verkauft worden sein sollen, hat sich im Untersuchungsgefängnis zu Bern das Leben genommen. Die Schweizer Bundesanwaltschaft erklärte am Freitag, sie ermittle seit Februar unter anderem wegen des Verdachts auf wirtschaftlichen Nachrichtendienst und habe in diesem Zusammenhang Mitte September einen 42 Jahre alten Mann festgenommen. Dieser Mann wurde morgens tot aufgefunden.

Ein angeblicher Lieferant von Schweizer Bankkunden-Daten hat sich im Untersuchungsgefängnis das Leben genommen:  Die CD soll an deutsche Steuerbehörden verkauft worden sein (Foto: dpa)

Die Berner Kantonspolizei erklärte, die Einwirkung von Dritten könne ausgeschlossen werden. Nähere Angaben zur möglichen Rolle des Verstorbenen in einer der Steueraffären der vergangenen Monate wollte eine Sprecherin der Berner Bundesanwaltschaft nicht machen.

Sie erklärte lediglich, die Bundesanwaltschaft habe im Zusammenhang mit ihren Ermittlungen mehrere Rechtshilfebegehren an deutsche Bundesländer gerichtet. Nach Angaben eines deutschen Justiz-Insiders waren diese Anfragen sehr allgemein formuliert und ließen keinen Rückschluss auf die Identität von Verdächtigen zu. Schweizer und österreichische Medien verbreiteten am Freitagnachmittag die Spekulation, bei dem Toten handele es sich um den Lieferanten der CD mit Daten von Konten der Credit Suisse.

Diese CD war Ende Februar von einem Unbekannten in Süddeutschland zwei deutschen Steuerfahndern ausgehändigt worden. Die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft leitete 1100 Ermittlungsverfahren ein. Der Unbekannte hat 2,5 Millionen Euro für die CD erhalten und vor allem der Erwerb dieser Datensammlung löste in Deutschland eine Welle von Selbstanzeigen aus - mehr als 20.000 Steuersünder bundesweit. Experten schätzen, dass dadurch mehr als eine Milliarde Euro in die Staatskassen fließen.

Wer war der Mann?

Die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft weiß nicht, wer der Lieferant war. Im März 2008 hatte er Steuerfahndern ein erstes Angebot gemacht, drei Monate später erste Proben übergeben. In zwei Jahren traf er sich insgesamt achtmal mit den Fahndern. In Vermerken der Steuerfahndung wird er ohne Namen nur als "Informationsgeber" bezeichnet. Seine Identität sei all die Zeit nicht geklärt worden, heißt es in den internen Unterlagen. Er habe selbst in Räumen eine Sonnenbrille getragen, nie seine Kappe abgesetzt und Schweizer Dialekt gesprochen, der manchmal schwer verständlich gewesen sei. Es ist sogar unklar, ob er der Beschaffer oder nur der Bote war. Die Fahnder hielten es auch für möglich, dass es sich um einen Geheimdienstmitarbeiter gehandelt habe, weil er so routiniert gewesen sei. Diese Beschreibung passt jedenfalls nicht zu den Spekulationen über den toten Berner Untersuchungshäftling.

Die österreichische Boulevardzeitung Krone hatte am Freitag gemeint, bei dem Toten handele es sich um einen Tiroler, der eine Weile in Winterthur in der Schweiz gelebt habe. Tiroler reden aber anders. Falls der Mann tatsächlich in diesem Jahr Datenlieferant für deutsche Behörden war, könnte es sich um einen der Beschaffer jener CD handeln, die bereits 2009 baden-württembergischen Behörden angeboten wurde. Die schwarz-gelbe Landesregierung hatte auf Druck der FDP den Kauf 2010 abgelehnt. Diese Datensammlung wurde im Sommer vom Finanzministerium in Hannover und vom Bund für 185000 Euro gekauft. In den meisten Fällen ging es jedoch um erstaunlich wenig Geld.

Da der Fall in zwei Bundesländern spielt und die Politik mitmischte, kann es sein, dass die Schweizer Behörden dem Unbekannten auf die Spur kamen. Aber auch das ist derzeit nur Spekulation. Auf dem Markt zirkulieren derzeit weitere Angebote über Konten-Material aus der Schweiz und Liechtenstein. So wurde in Schleswig-Holstein den Behörden vor einigen Monaten Daten von Kunden der Liechtensteinischen Landesbank offeriert. Die Verhandlungen sind vor Wochen von den Behörden abgebrochen worden. Der Unbekannte verlangt Vorkasse - und die bekommt er nicht.

© SZ vom 02.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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