Schweiz:Angreifer gefasst

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Zwei Tage nach dem Überfall mit einer Motorsäge ist die Polizei erfolgreich. Man findet den 50-Jährigen bewaffnet - an einem überraschend entlegenen Ort.

Von Charlotte Theile, Schaffhausen

Knapp 48 Stunden nachdem ein Mann in einer Krankenversicherungsfiliale mit einer Kettensäge zwei Menschen angegriffen hatte, hat die Polizei am Mittwoch in Schaffhausen Ergebnisse präsentiert. Der Verdächtige war am Abend zuvor in Thalwil, Kanton Zürich, festgenommen worden, die Gefahr für die Bevölkerung gebannt. In den Stunden zuvor hatte die Polizei Fahndungsfotos veröffentlicht und mit mehreren Hundert Einsatzkräften, Spürhunden und Helikoptern nach dem Mann gesucht. Ein Unbeteiligter war dabei von der Polizei verwechselt und leicht verletzt worden, hieß es. Der entscheidende Tipp kam schließlich aus der Gegend um Thalwil am Zürichsee, wo der Gesuchte gesehen worden war.

Über den mutmaßlichen Täter, Frank W., weiß man noch wenig. Der 50-Jährige hatte eine Invalidenrente bezogen und war Kunde der Krankenversicherung, die er angegriffen hatte. Er verletzte dort zwei Mitarbeiter, einen davon schwer. Zuletzt war der Mann im Kanton Graubünden gemeldet, seit einigen Jahren hatte er keinen festen Wohnsitz und soll sich mit seinem Lieferwagen in verschiedenen Schweizer Wäldern aufgehalten haben. Dort kam er immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt.

Wie die Schaffhauser Nachrichten berichten, wurde er 2014 im Kanton Bern mit einer Pistole angetroffen, 2016 fand man bei ihm ein Elektroschockgerät. Beides wurde beschlagnahmt und vernichtet. Frank W. aber rüstete weiter auf. Die Kettensäge, die er am Montag bei seinem Angriff eingeschaltet hatte, war nicht sein einziges Gerät - bei seiner Festnahme am Dienstagabend hatte er zwei Armbrüste mit Pfeilen und zwei zur Waffe gespitzte Holzstücke in einer Plastiktüte bei sich. Dennoch ließ sich W. laut Polizei ohne Widerstand verhaften.

Wie er die 60 Kilometer zwischen Schaffhausen und Thalwil zurückgelegt hat, ist unklar. Sein Lieferwagen wurde bereits kurz nach der Tat aufgefunden. Warum der Mann trotz mehrerer Gesetzesverstöße unbehelligt im Wald leben konnte, ist ebenfalls ungeklärt. Peter Sticher, erster Staatsanwalt des Kantons Schaffhausen, sagte dazu, obdachlos zu sein und im Wald zu leben, sei nicht illegal. Wer sich im Wald "anständig verhalte", habe erst einmal das Gesetz auf seiner Seite. Dennoch hätten die Ermittlungen zu Frank W. schnell ergeben, dass der Mann schon häufig auffällig geworden war und als gefährlich einzustufen sei.

Wie viele Leute dauerhaft im Wald leben, ist schwer zu sagen. Immer wieder gibt es Berichte über Einsiedler, die sich in Waldhütten zurückgezogen haben, über Aussteiger, über jahrelang Vermisste, die plötzlich wieder auftauchen. In Frankreich wurde 2009 ein Mann verhaftet, der sich mit seinen beiden Söhnen nach einem Sorgerechtsstreit mehr als zehn Jahre lang in der Wildnis versteckt hatte. Das sind Extremfälle. Aber an Menschen, die von einem Tag auf den anderen kein Dach mehr über dem Kopf haben, etwa nach einer Trennung, und ein paar Nächte im Wald verbringen, haben sich viele Schweizer Förster gewöhnt. Der Wald gilt vielen als Zufluchtsort. So könnte es vor ein paar Jahren auch bei Franz W. begonnen haben. Die Polizei will nun zunächst seine Gesundheit abklären.

© SZ vom 27.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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