Schutz von Kindern:Missbrauchsfall im Breisgau: Es ist zu einfach, den Behörden die Verantwortung zuzuschieben

Jugendamt Breisgau-Hochschwarzwaldwald

Der Dienstsitz des Sozial- und Jugendamtes des Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald im baden-württembergischen Freiburg.

(Foto: Patrick Seeger/dpa)

Eine Mutter hat ihren Sohn zwei Jahre lang im Internet zur Vergewaltigung angeboten. Der monströse Fall zeigt, was sich ändern muss, um Kinder vor sexueller Gewalt zu schützen.

Kommentar von Matthias Drobinski

Monströs, widerwärtig, der Horror - das sind die Formulierungen, die Journalisten schreiben, wenn ihnen in Wahrheit die Worte fehlen, um zu fassen, was in Staufen bei Freiburg passiert ist. Eine Mutter hat ihren Sohn im Grundschulalter im Darknet zur Vergewaltigung angeboten, unterstützt von ihrem Lebensgefährten, der schon vorbestraft war, weil er Kinderpornos besessen und Kindern sexualisierte Gewalt angetan hatte.

Mehr als zwei Jahre lang soll das Martyrium des Jungen gedauert haben. Und niemand hat es beendet, obwohl es Hinweise auf das Verbrechen gab. Das Jugendamt in Freiburg wollte den Jungen aus der Familie nehmen. Doch zweimal gaben Gerichte der Mutter recht, vertrauten darauf, dass sie schon ihr Kind schützen würde. Es war ein furchtbarer Trugschluss.

Der Staat und seine Organe haben ein Kind nicht schützen können, das doch besonderen Schutzes bedarf - aus Schlamperei, Ignoranz, allzu gutherziger Vertrauensseligkeit? Das sind nun die harten wie berechtigten Fragen an die beiden Gerichte und das Jugendamt. Wie konnte man glauben, dass die Auflage des Gerichts, der Lebensgefährte habe sich von dem Kind fernzuhalten, eingehalten würde? Warum hat das niemand kontrolliert? Trotzdem ist es zu einfach, nun alle Verantwortung einfach den Behörden und der Justiz zuzuschieben.

Zu Recht schützt das Grundgesetz die Eltern-Kind-Bindung, zu Recht sind die Hürden hoch, bis der Staat ein Kind gegen den Willen seiner Eltern in Obhut nimmt. Und ja, es kann sein, dass die Mutter des Jungen mit Überzeugungskraft und krimineller Energie Gericht und Jugendamt über Monate täuschte. Alle Gerichte und Jugendämter der Republik werden sich in den kommenden Monaten auffällige Familienkonstellationen noch genauer anschauen. Doch eine Garantie werden sie nicht geben können, dass sich ein Fall am Rande der menschlichen Vorstellungskraft, ein Fall wie im Breisgau, nicht wiederholt.

Was sich aber ändern kann und ändern muss: Es braucht noch mehr Aufmerksamkeit für den Schutz von Kindern und Jugendlichen gegen sexualisierte Gewalt. Es braucht hellhörige Richterinnen und Richter, geschulte Jugendamtsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter, die Alarmsignale erkennen. Es braucht Lehrerinnen und Lehrer, die aufmerken, wenn sich Kinder verändern, sensibilisierte Trainer und Kinderärzte. Es braucht noch mehr Polizisten, die das Darknet durchforsten und dann mit den Fotos der gequälten Kinder durch die Schulen ziehen.

Vor acht Jahren begann der Skandal um die Übergriffe in der katholischen Kirche - seitdem ist viel getan worden zum Schutz von Kindern und Jugendlichen; seitdem hat die Bundesregierung auch einen Beauftragten zur Bekämpfung sexueller Gewalt. Er heißt Johannes-Wilhelm Rörig und hat ein "Kindesmissbrauchspräventionsgesetz" vorgeschlagen. Eine gute Idee, sollte es demnächst Koalitionsverhandlungen geben.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: