Russland:Wohin mit dem Eisernen Felix?

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23. August 1991: Moskau entledigt sich eines kommunistischen Symbols. (Foto: Igor Mikhalev/dpa)

Moskau diskutiert, ob die Statue eines umstrittenen Geheimdienstgründers Dserschinskij wieder aufgestellt werden soll.

Von Frank Nienhuysen

So schnell ist der Bösewicht am Haken, da nutzte Felix Dserschinskij auch der Geheimdienstmantel nichts und seine elf Tonnen Gewicht. Es war der Abend des 23. August 1991, der Putschversuch gegen Michail Gorbatschow war gerade abgewehrt, die Sowjetunion dämmerte dahin, als sich auf dem Moskauer Lubjanka-Platz mehrere Lastwagen und ein Baukran durch die Menge bahnten. Arbeiter spannten ein Seil um den bronzenen Kopf des sowjetischen Geheimdienstgründers und hoben die Statue unter dem Gejohle der Demonstranten vom Sockel. Mit dem Gesicht nach unten wurde sie auf einem Laster fortgeschafft. Moskau hatte sich eines Symbols der kommunistischen Geschichte entledigt. Vorerst zumindest.

33 Jahre hatte das Denkmal des Eisernen Felix im Zentrum Moskaus gestanden, vor dem Gebäude des Geheimdienstes KGB. Nun debattiert Moskau darüber, ob es zurück an seinen alten Platz soll. Vor das Gebäude, in dem jetzt der russische Geheimdienst FSB sitzt. Die Debatte läuft seit mehr als zehn Jahren, aber lange plätscherte sie eher dahin. Nun aber ist sie kraftvoll zurück, denn die Kommunistische Partei schaffte es, in vier Wochen mehr als 150 000 Unterschriften zu sammeln, die in Moskau für ein Referendum nötig sind - zwei Prozent der registrierten Wähler. Die Kommunisten halten die damalige Demontage für "Hooliganismus", das Denkmal für "ein Meisterwerk der Monumentalkunst". Die Moskauer Behörden haben ihren behördlichen Segen für ein Referendum gegeben und eine Volksabstimmung über eine mögliche Rückkehr des Denkmals für zulässig erklärt.

Ob es dazu kommt, ist noch nicht klar, denn mit den Befürwortern erstarkt auch der Widerstand. Das staatliche Meinungsforschungsinstitut Vziom hat eine Umfrage veröffentlicht, die offenbar die Moskauer Führung ins Grübeln bringen soll; denn dass der Schlüssel zur Entscheidung im Kreml liegt, darüber sind sich die meisten russischen Medien einig. Knapp 60 Prozent der Befragten wollen demnach lieber einen Park mit Springbrunnen. Oder eine Fußgängerzone. Nur eben nicht wieder Dserschinskij, der in einen Skulpturenpark abgeschoben worden war.

Die russische Menschenrechtsorganisation Memorial freute sich über das Umfrage-Ergebnis. Niemals dürfe der Geheimdienstgründer, der von 1917 bis 1926 die KGB-Vorgänger-Organisation Tscheka leitete, zurück an den Platz an der Lubjanka. Ljudmila Alexejewa, Leiterin der Moskauer Helsinki-Gruppe, sprach von einer "Schande", sollte er erneut aufgestellt werden. Er trage die Verantwortung für bolschewistische Repressionen.

Nach der Oktoberrevolution 1917 hatten die Bolschewisten das prachtvolle Gebäude beschlagnahmt. Viele Schauerberichte gibt es über die Geheimdienstzentrale, über geräuschdämpfende Kellerräume, in denen zu Stalins Zeiten Hunderttausende Menschen gefangen, verhört, viele auch gefoltert oder getötet wurden.

Sogar die einflussreiche orthodoxe Kirche hat sich jetzt in die Debatte eingeschaltet. Viele würden Dserschinskij zwar als einen der Gründer der sowjetischen Sicherheitssysteme verehren, sagte ihr Sprecher Wsewolod Tschaplin, "doch ein großer Teil sieht ihn eben auch als Ideologen und einen der Anführer des Roten Terrors, in dessen Verlauf viele Unschuldige gestorben sind". Man hat eben auch nicht vergessen, dass die Kommunisten einst viele Kirchen sprengten.

Offenbar wegen dieses Gegenwinds haben die Befürworter des Referendums erklärt, ihre Initiative vorerst ruhen zu lassen. Der Springbrunnen könnte also größere Aussichten haben. Er wäre ein politisch neutrales Monument, und sogar noch geschichtsträchtiger. Ein Brunnen stand bereits am Lubjanka-Platz, als im späteren Geheimdienstgebäude noch die Allgemeine Russische Versicherungsgesellschaft saß.

© SZ vom 08.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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