Russland:Spaßbremse

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In Moskaus Standesämtern gelten ab sofort strenge Regeln. Zum Beispiel: Keine Live-Musik und kein Blumenregen mehr.

Von Julian Hans

Hochzeiten sollen Momente für die Ewigkeit sein, aber erst die Ausschweifungen machen sie wirklich unvergesslich: der Brautstrauß im Kronleuchter, das Kleid in Brand, der Sturz in die Torte. Als Meister in der Disziplin Hochzeit mit Ausschweifung gelten gemeinhin die Russen. Dieser Titel ist jetzt in Gefahr.

Zum Beginn der Hochzeitshochsaison im Mai haben die Moskauer Standesämter ihre Hausordnungen verschärft und alle Dienstleistungen aus dem Angebot gestrichen, die nicht unmittelbar mit der Eheschließung verbunden sind. Früher konnten Musiker, Fotografen, Filmteams, Blumen- und Reisregen, Buffet und Champagner gleich mitgebucht werden. Doch jetzt beenden die Ämter diese Public-private-Partnerships mit Künstlern, Floristen und Caterern; Musik gibt es dann nur noch aus der Konserve, dafür ist sie dann immerhin kostenlos.

Wer in Russlands Hauptstadt ein Aufgebot bestellt, bekommt seit diesem Monat einen Merkzettel mit den wichtigsten Dos und Dont's in die Hand gedrückt. In den Standesämtern sind ab sofort verboten: "Der Genuss alkoholischer Getränke, das Zerschlagen von Gläsern, das Streuen von Blüten, Reis oder Bonbons". Denn das bringe nicht nur Verletzungsgefahr mit sich, sondern locke auch Bettler und Obdachlose an, "die teilweise unter ansteckenden Krankheiten leiden", zitiert die Tageszeitung Iswestia aus dem Leitfaden.

Den Bettlern geht damit ebenso eine Einnahmequelle verloren wie Musikern und Fotografen. Im Umfeld der Standesämter war über die Jahre ein ganzes Gewerbe an Hochzeitsdienstleistungen gewachsen. Das zu koordinieren, die Bestellungen, Sonder- und Änderungswünsche der Kunden anzunehmen und weiterzugeben, habe Mitarbeiter im Standesamt von ihrer eigentlichen, hoheitlichen Aufgabe - der Trauung - abgelenkt, hieß es zur Begründung.

Die Zeiten, in denen an Ort und Stelle ein Geiger oder gleich ein kleines Kammerorchester verpflichtet werden konnten sind damit vorbei. Die Kapellen müssen ihre Auftritte auf die Feier nach dem Standesamt verschieben. Und zwar dorthin, wo sich die Hochzeitsgesellschaften gern in weißen Stretchlimousinen fahren lassen, die fest zum Moskauer Straßenbild gehören. Fotografen können Braut und Bräutigam künftig selbst mitbringen. Die sollen sich dann aber an die Kleiderordnung halten, wie sie im Leitfaden aufgeführt ist: bitte keine kurzen Hosen, T-Shirts oder zerrissene Jeans.

Die Brautleute selbst seien derweil von diesen Vorschriften jedoch nicht betroffen, erklärte eine Sprecherin der Stadt dem Nachrichten-Portal Meduza: "Heiraten können Sie, wie Sie wollen." Immerhin.

© SZ vom 19.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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