Prozess:Tuğçes Freundinnen verstricken sich in Widersprüche

Lesezeit: 2 min

  • Die Freundinnen der gewaltsam zu Tode gekommenen Studentin Tuğçe Albayrak haben beim Streit mit einer Gruppe Männer weniger friedfertig reagiert als bisher angenommen.
  • Die Freundinnen von Tuğçe räumen ein, ebenfalls gepöbelt und beleidigt zu haben.
  • Die vier Zeuginnen verwickelten sich vor Gericht in Widersprüche und können sich an eine Reihe früherer Aussagen nicht mehr erinnern.

Von Susanne Höll, Darmstadt

Die Studentin Tuğçe Albayrak und ihre Freundinnen haben bei dem tödlich verlaufenen Streit mit einer Gruppe junger Männer offenbar weniger friedfertig reagiert als bislang angenommen. Vier Freundinnen der Studentin, die am Montag im Prozess gegen den Schläger Sanel M. aussagten, räumten auf Fragen des Gerichts ein, bei den Disputen in einem Schnellimbiss ebenfalls gepöbelt und beleidigt zu haben.

Die Querelen zwischen den beiden Gruppen in den frühen Morgenstunden des 15. November waren nach Aussage einer Zeugin von den jungen Männern ausgegangen. Schon als sie das Schnellrestaurant in Offenbach betreten hätte, sei sie mit rüden Schimpfworten belegt worden, sagte eine 22 Jahre alte Krankenschwester. Sie selbst, ihre jüngere Schwester und zwei weitere junge Frauen, die in der Nacht gemeinsam unterwegs gewesen waren, pöbelten dann zurück.

Darmstadt
:Was Sie zum Prozess im Fall Tuğçe wissen müssen

Wenn heute Sanel M. vor die 10. Große Strafkammer des Landgerichts Darmstadt tritt, sieht ganz Deutschland hin. Wird er zur Tat aussagen? Welche Strafe droht ihm für den Tod von Tuğçe?

Angeklagter pöbelte gegen Tuğçe und deren Mutter

Nach Aussagen einer Zeugin nannte der Angeklagte die Mutter von Tuğçe Albayrak eine "Nutte". Die Studentin habe ihn daraufhin als "Hurensohn" betitelt. Die Zeugin konnte sich allerdings in der Verhandlung nicht mehr daran erinnern, in welchem Moment genau die Studentin sich so äußerte. In einer früheren Vernehmung bei der Polizei hatte sie noch ausgesagt, dass Sanel M. bei diesem Wortwechsel schon auf dem Weg zu seinem Auto gewesen sei.

Der Angeklagte machte dann offenbar kehrt, suchte erneut die Konfrontation mit Tuğçe Albayrak und schlug ihr ins Gesicht. Die junge Frau stürzte auf den Asphalt, erlitt schwerste Schädelverletzungen und starb zwei Wochen später. Sanel M. hat den Schlag zugegeben.

Widersprüchliche Aussagen der Zeuginnen

Die vier Zeuginnen verwickelten sich vor Gericht in etliche Widersprüche und konnten sich an eine Reihe früherer Aussagen erklärtermaßen nicht mehr erinnern. Dabei spielte auch das Video aus den Überwachungskameras aus der Tatnacht eine Rolle, das ins Internet eingestellt wurde und die Dispute auf dem Parkplatz zeigt. Alle vier gaben zu, das Video gesehen zu haben, zwei sagten, der Film habe sie irritiert und an ihrem Erinnerungsvermögen zweifeln lassen. Sie hätten daraufhin ihre ersten Aussagen bei der Polizei korrigiert.

Eine der Frauen räumte auf Fragen der Verteidigung ein, dass sie das Video gemeinsam mit den drei anderen Zeuginnen angeschaut habe. Absprachen für die Aussage vor Gericht hätten sie allerdings nicht getroffen.

Fall Tuğçe
:Prozess für eine Heldin

Der Fall Tuğçe Albayrak geht vor Gericht. Im Prozess gegen den jungen Mann, der im November 2014 ihren Tod verschuldete, geht es um die Frage: Wusste Sanel M., welche Folgen sein Schlag haben könnte?

Von Susanne Höll

Die Verteidigung zeigte sich besonders interessiert an der Aussage einer 22 Jahre alten Zeugin, die bei der Polizei ausgesagt hatte, eine ihrer Freundinnen habe Tuğçe Albayrak in der Konfrontation mit Sanel M. kurz vor dem Schlag festgehalten. Die aber habe sich aber losgerissen und sich dem Angeklagten genähert, der wiederum von einem seiner Freunde zurückgehalten worden sei. An diese Szene hatte die Zeugin vor dem Landgericht erklärtermaßen keine Erinnerung mehr.

© SZ vom 28.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: