Polizei in Österreich:Wenn die Lenkerin zu schnell fährt

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Strafzettel heißen in Österreich amtlich korrekt Organstrafverfügungen. Weil die dafür verwendeten Formulare jetzt auch die weibliche Anrede enthalten sollen, gibt es Ärger.

Von Oliver Klasen

Wer als Deutscher nach Österreich kommt, muss sich an allerlei Wörter gewöhnen, die es zuhause nicht gibt. So bestellt man zum Schnitzel einen Erdapfel-Vogerlsalat, falls man Raucher ist und Lust auf eine Tschik verspürt, kann man zum Trafikanten gehen und wer zu lange allzu dünn bekleidet in Wien am Donaukanal gesessen hat, bekommt vielleicht eine Verkühlung. Der Autofahrer schließlich ist in Österreich kein Fahrer, sondern ein Lenker. Wenn er falsch parkt oder zu schnell fährt, wird nicht wie in Deutschland ein Verwarnungsgeld angeordnet, sondern er sieht sich mit einer sogenannten Organstrafverfügung konfrontiert, was sich gleich ziemlich bedrohlich anhört.

Wegen eben dieser Organstrafverfügungen gibt es jetzt Ärger: Wie der Wiener Kurier berichtet, müssen ab 1. August sämtliche von der Polizei verteilte Strafzettel mit einer Anrede für beide Geschlechter versehen sein. Auf dem Vordruck - es handelt sich um Formular 45 - muss sowohl "der Lenker" als auch "die Lenkerin" stehen, das legt die vom Innenministerium in Wien erlassene Verwaltungsformularverordnung glasklar fest.

Alle bisher verwendeten Strafzettel, auf denen nur die männliche Anrede steht, müssen vernichtet werden. Die Polizisten dürfen die nicht gendergerechten Vordrucke aber nicht einfach in den Reißwolf stecken. Die Entsorgung jedes einzelnen alten Strafzettelblockes - gewöhnlich 50 Blatt stark, wie der Kurier in Erfahrung gebracht hat - hat streng kontrolliert zu erfolgen.

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Jeder Polizist verfügt über einen eigenen Strafzettelblock

Ein in der Zeitung nicht namentlich zitierter Beamter beschreibt das Prozedere: "War nun dieser Block zum Umstellungszeitpunkt bereits angebrochen, müssen sämtliche noch darauf verbliebenen Strafzettel manuell im Computer storniert werden". Im Strafzettelwesen des Nachbarlandes herrscht Ordnung: Sämtliche Organstrafverfügungen sind fortlaufend nummeriert und jeder Polizeibeamte verfügt über einen eigenen Strafzettelblock, wie Martin Noschiel bestätigt, ein Sprecher der den Sozialdemokraten nahestehenden Polizeigewerkschaft, die in Österreich "Klub der Exekutive" heißt.

Offenbar geht es um Hundertausende Formulare, wie der Kurier mit einem Vergleich verdeutlicht. So verbrauche allein die Verkehrsabteilung der Polizei in Niederösterreich pro Jahr etwa 1500 Strafzettelblöcke. Einige Dienststellen hätten vorausschauend agiert und die neuen Blöcke bereits vor Monaten angefordert, "während in kleineren Dienststellen noch Gender-Zettelengpässe vorherrschen", wie die Zeitung schreibt.

Die Rechtslage im Nachbarland mutet kompliziert an: Karl-Heinz Grundböck, der Sprecher des Bundesinnenministeriums in Wien weist darauf hin, dass die Strafzettel-Causa ein rein niederösterreichisches Problem sei. Nur dort habe nämlich die zuständige Landesregierung angeordnet, die Formulare auszutauschen. Magister Josef Kronister, der Sprecher der Bezirkshauptleute in Niederösterreich, kontert: Die Einführung der gendergerechten Formulare an sich habe Wien zu verantworten. Die Landesregierung in St. Pölten habe "in Vollziehung dieser Bundesregelungen lediglich für die Herstellung und Verteilung der Formulare zu sorgen".

Das Gesetz hält für alles eine Lösung bereit

Im Rest Österreichs ist man offenbar flexibler. Das lässt die Rechtsordnung auch zu. In Paragraf 3 der Verwaltungsformularverordnung heißt es zwar, dass die alten seit 1999 verwendeten und nur mit männlicher Anrede versehenen Formulare per 1. August 2015 auszutauschen seien. Doch Paragraf 2 eröffnet den Behörden im Hinblick auf die Gender-Thematik einen gewissen Spielraum, denn bei der Anwendung auf "natürliche Personen" heißt es da, "kann die jeweils geschlechtsspezifische Formulierung verwendet werden". Kann, wohlgemerkt nicht muss.

An die unbürokratische Lösung, die weibliche Anrede einfach handschriftlich zu ergänzen, hat offenbar niemand gedacht. Dabei hätte das Gesetz - Paragraf 2, Absatz 2 - auch dafür die nötige Rückendeckung gegeben: "Im Formular können Änderungen und Ergänzungen vorgenommen werden, die im Hinblick auf den maßgeblichen Sachverhalt, die Verwaltungsvorschriften oder eine Änderung der Rechtslage erforderlich sind."

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