Österreich:Weg in eingeschlossenes Bergdorf in Tirol ist wieder frei

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An Weihnachten waren in der Gemeinde Vals in Österreich nach einem Felssturz 150 Menschen von der Außenwelt abgeschnitten. (Foto: dpa)
  • Nach dem gewaltigen Felssturz in dem österreichischen Bergdorf Vals können die 150 Bewohner über eine Notverbindung wieder ins Tal gelangen.
  • Der zuständige Geologe ist der Ansicht, dass langanhaltende Regenfälle das Unglück ausgelöst haben.

Von Felix Hütten und Oliver Klasen

Mehr als zwei Tage lang waren sie eingeschlossen, der Weg ins Tal versperrt durch Zehntausende Tonnen Gestein, Geröll und Schutt. 150 Menschen, gefangen in der Gemeinde Vals, etwa 40 Kilometer südlich von Innsbruck. An Heiligabend gegen 18.15 Uhr war auf großer Länge Gesteinsmaterial aus dem Berg gebrochen. Die einzige Straßenverbindung aus dem Ort hinaus war daraufhin unpassierbar.

Inzwischen ist der Weg wieder frei. Auf einer eigens erbauten Notverbindung können die Bewohner von Vals ihr Dorf verlassen. Arbeiter haben den Schotterweg so weit befestigt, dass auch Autos darauf fahren können. Die provisorische Straße führe rund um den Schuttkegel, sagte ein Sprecher des Landes Tirol. Wie lange diese Verbindung geöffnet bleiben könne, hänge allerdings von der Lawinengefahr ab. Aktuell liege diese auf einer relativ niedrigen Stufe, allerdings würden in den kommenden Tagen weitere Schneefälle erwartet. Außerdem könnte Regen oder Schnee den Notweg beschädigen.

Bei dem Felssturz an Heiligabend wurde niemand verletzt. Landeshauptmann Günther Plattner sprach in den Medien von einem "Weihnachtswunder". Denn nur wenige Minuten vor dem Unglück hatten mehrere Familien die Stelle passiert, als sie auf dem Rückweg von der Christmette waren. Unter den Eingeschlossenen sei die Stimmung gelassen gewesen, berichtet Klaus Ungerank, der Bürgermeister von Vals. Probleme bei der Versorgung habe es nicht gegeben, denn wegen der Feiertage hatten sich die Menschen vorher reichlich mit Essen und Getränken eingedeckt.

Plattner lobte in der Tiroler Tageszeitung die Arbeit der Einsatzkräfte und das gute Krisenmanagement von Bürgermeister Ungerank. "Ich bin erschüttert über dieses große Naturereignis, aber auch froh, dass keine Personen zu Schaden gekommen sind", sagte der Landeshauptmann.

Das sechs Kilometer lange Valsertal liegt in den Tuxer Alpen und steht unter Naturschutz. Touristen kommen vor allem im Sommer zum Klettern und Bergsteigen. Der gewaltige Felssturz kam überraschend, auch wenn der Hang als gefährlich bekannt war. "Ein so großes Ereignis war für uns unvorhersehbar, wir haben soeben Fotos der Stelle ausgewertet, die wir im Oktober aufgenommen hatten. Da war noch nichts zu sehen", sagt der zuständige Landesgeologe Gunther Heißel.

Heißel kam in den vergangenen Tagen nicht zur Ruhe. Immer wieder hat er sich mit dem Hubschrauber über das Gebiet fliegen lassen, um sich ein Bild zu machen. Wie gefährlich ist die Lage? Und kann es zu weiteren Felsabstürzen kommen? Diese Fragen sollte Heißel klären.

Der erste Sturz an Heiligabend sei ein Abrutsch von 300 Metern Höhe gewesen. "Das Ganze war so heftig, dass man die Erschütterungen im Erdbebenzentrum messen konnte", sagt Heißel. Bis vier Uhr in der Nacht zum 25. Dezember habe es dann weitere Abbrüche gegeben. Das gesamte Tal sei von einer feinen schwarzen Staubschicht überzogen.

"Kommt Wasser dazu, wirkt das wie Gleitmittel"

Es handelt sich um einen steilen Felshang, der aus Schiefergestein besteht, erklärt Heißel. "Schiefergestein ist weich, man kann es zwischen den Fingern zerreiben. Auf der Haut bildet sich dann ein seifiger, rutschiger Belag. Kommt Wasser dazu, wirkt das wie Gleitmittel - genau das ist am Fels passiert."

An dem Absturz zeigten sich die Nachwirkungen der langen Regenperiode im Sommer und Herbst. Auch starke Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht hätten das Unglück mitverursacht. "Das muss man sich vorstellen wie ein Belastungstest für einen Wohnzimmersessel, wie man ihn in großen Möbelhäusern sieht", sagt Heißel. Dort prüfe man die Materialermüdung, indem ein Kolben hunderte Mal am Tag auf den Stuhl drückt. Diesen Dauertest gebe es im Fels auch, wenn die Temperaturen steigen, dehne sich das Gestein, wenn sie sinken, ziehe es sich zusammen, so der Experte.

In den kommenden Wochen wollen die Behörden versuchen, die Straße dauerhaft sicherer zu machen. Doch zunächst muss das Geröll abtransportiert werden. Das dürfte dauern, denn der Felssturz habe nach bisherigen Erkenntnissen 100 000 Kubikmeter Schutt freigesetzt.

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