Nordamerika:Rekordbeben

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Bis das Ausmaß der Schäden erfasst sei, könne es noch Tage dauern, sagt der mexikanische Präsident. Unterdessen beseitigen Helfer in weiten Teilen des Landes die Trümmer – wie hier in Mexiko-Stadt . (Foto: Agustin Salinas/dpa)

Mexiko hat das stärkste Erdbeben seit mehr als 100 Jahren erlebt. Vor allem in Chiapas und Oaxaca wurden ganze Ortschaften geräumt, zahlreiche Menschen starben, darunter mindestens zwei Kinder.

Von Boris Herrmann, Rio de Janeiro

Die Mexikaner hatten sich Tage vorher auf die Ankunft eines schweren Hurrikans vorbereitet, als sie in der Nacht zum Freitag von einem Jahrhundert-Erdbeben erschüttert wurden. Mindestens 58 Menschen starben bei dem Beben der Stärke 8,2. Nach Angaben von Staatspräsident Enrique Peña Nieto war es damit das schwerste, das jemals in Mexiko gemessen wurde, also seit mehr als 100 Jahren.

Laut Peña Nieto spürten 50 Millionen der 120 Millionen Mexikaner dieses Beben. Das Epizentrum lag im Pazifik, etwa einhundert Kilometer vor der Küste des südmexikanischen Bundesstaates Chiapas. Die Erdstöße waren aber auch im rund tausend Kilometer entfernten Mexiko-Stadt spürbar sowie in allen Ländern Zentralamerikas und im südamerikanischen Ecuador. In Mexikos Nachbarland Guatemala erreichte das Beben noch eine Stärke von 7,7. Für die gesamte Region wurde eine Tsunamiwarnung ausgegeben, die aber teilweise rasch wieder aufgehoben wurde. Die Regierung von Ecuador ordnete außerdem die Evakuierung von mehreren Galapagos-Inseln an.

Als die Mexikaner am Freitagmorgen erwachten, deutete einiges darauf hin, dass sie gemessen an der Stärke der Erschütterung noch relativ glimpflich davongekommen waren. In seinem ersten öffentlichen Statement war Präsident Peña Nieto sichtlich darum bemüht, die Bevölkerung zu beruhigen, um keine Massenpanik aufkommen zu lassen. Er räumte allerdings ein, dass es noch Tage dauern werde, bis das ganze Ausmaß der Schäden erfasst sei.

Auch zwei Kinder kamen am Freitag ums Leben, teilten die Behörden mit

Am stärksten betroffen sind nach gegenwärtigem Kenntnisstand die Bundesstaaten Chiapas und Oaxaca, die zu den ärmsten Regionen Mexikos gehören. In einer bergigen und offenbar schwer zugänglichen Gegend Oaxacas wurden zunächst zehn Tote gemeldet. In Chiapas wurden vorsichtshalber mehrere Küstenorte evakuiert. Die Erdstöße hatten Tsunamiwellen ausgelöst, die laut Peña Nieto aber keinen Anlass zu größerer Besorgnis gegeben hätten: Sie seien mit einer Höhe von 70 Zentimeter auf die Küste getroffen. Der Gouverneur von Chiapas, Manuel Velasco, teilte mit, mindestens drei Menschen seien beim Einsturz eines Hauses ums Leben gekommen, auch Krankenhäuser und Schulen seien beschädigt worden.

In zehn mexikanischen Bundesstaaten blieben die Schulen am Freitag geschlossen. In einigen Teilen des Landes fiel zumindest zwischenzeitlich die Stromversorgung aus. Dadurch starb in der Region Tabasco offenbar ein Säugling, der an ein Beatmungsgerät angeschlossen war. Ein weiteres Kind wurde erschlagen, als eine Wand einstürzte.

In der mexikanischen Hauptstadt liefen viele Menschen in Panik auf die Straßen. Wenn dort die Erde bebt, werden unweigerlich Erinnerungen an das Jahr 1985 wach: Damals starben bei einem Beben der Stärke 8,1 mehr als 10 000 Menschen. Teile von Mexiko-Stadt glichen damals über Monate einem Trümmerfeld. Die Gewissheit, auf wackeligem Untergrund zu leben, gehört seither zum mexikanischen Selbstverständnis. Die Mexikaner wussten immer, dass es nur eine Frage der Zeit sein würde bis zum nächsten großen Beben. Seit 1985 haben die Behörden die Bauvorschriften deutlich verschärft und ein umfassendes Erdbebenfrühwarnsystem eingeführt. Das könnte das Land nach gegenwärtigem Kenntnisstand vor einer größeren Katastrophe bewahrt haben.

In Mexiko-Stadt wackelte in der Nacht zum Freitag auch der Ángel de la Independencia, eines der wichtigsten Denkmäler der Hauptstadt, es ähnelt der Berliner Siegessäule. Die Bilder des schwer zitternden Unabhängigkeits-Engels liefen am Freitagmorgen über alle Fernsehkanäle und entwickelten sich bald zum Symbol dieses Erdbebens: Der Engel wankte, aber er fiel nicht.

© SZ vom 09.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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