Nach Beben in Italien:Verschüttete Studentin lebendig geborgen

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Noch immer suchen Helfer nach Überlebenden des Erdbebens - und konnten eine Studentin lebend aus den Trümmern bergen. Die Zahl der Toten stieg auf 250, doch Berlusconi will mit der Katastrophe alleine zurecht kommen.

250 Tote, 1500 Verletzte, 17.000 Obdachlose - das ist die Bilanz des verheerendsten Bebens in Italiens seit 30 Jahren. Vermisst würden noch 15 Menschen, teilte das Koordinierungszentrum der Rettungskräfte in der Abruzzen-Stadt L'Aquila mit. Praktisch jeder siebte Bürger in L'Aquila ist obdachlos, darunter praktisch jeder siebte Bürger von L'Aquila. Zahlreiche Nachbeben erschweren die Rettungs- und Bergungsarbeiten. Seit dem starken Erdstoß am frühen Montagmorgen wurden etwa 280 Nachbeben gezählt.

Dutzende Tote, Hunderte Verletzte, Tausende Obdachlose: Ein schweres Erdbeben hat die Menschen in Mittelitalien ins Chaos gestürzt. Die Bilder. (Foto: Foto: AP)

Bei ihrem Wettlauf gegen die Zeit haben die insgesamt 5100 in den Abruzzen eingesetzten Helfer manchmal auch Glücksmomente. Knapp 42 Stunden nach dem Beben bargen sie in L'Aquila eine 20-jährige Studentin lebend aus den Trümmern. Sie hatte in einem Hohlraum eines eingestürzten Hauses überlebt.

Die rund 7000 staatlichen Rettungskräfte konnten nach Angaben von Silvio Berlusconi bisher 151 Menschen lebend aus den Trümmern retten. Die Sucharbeiten sollten noch 48 Stunden fortgesetzt werden, "bis zur Gewissheit, niemanden mehr lebend bergen zu können," sagte der italienische Regierungschef.

Nachdem die nationale Hilfe aus allen Landesteilen am Vortag rasch angelaufen war, hat Innenminister Roberto Maroni am Dienstag 130 Millionen Euro für den Einsatz von Polizei und Feuerwehr in den Abruzzen in den nächsten sechs Monaten angekündigt.

Mehr Mittel werde der nächste Ministerrat freigeben, sagte er: "Für diesen nationalen Notstand werden wir alle benötigten Gelder auftreiben." Mehr als 10.000 Betten seien für die Obdachlosen bereits an der Küste verfügbar. 200 Beamte werden in L'Aquila und Umgebung eingesetzt, um Plünderungen zu verhindern. "Das Kontingent verstärken wir heute noch", sagte Maroni.

Berlusconi lehnt Hilfe aus dem Ausland ab

Unterdessen hat Berlusconi Hilfsangebote aus dem Ausland abgelehnt. Unterstützung sei nicht nötig, sagte er. Die Italiener seien "ein stolzes Volk" und kämen allein zurecht. Unter anderem Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hatte den italienischen Rettungskräften Unterstützung angeboten. In einem Kondolenzschreiben an seinen römischen Kollegen Franco Frattini heißt es: "Wir sind jederzeit bereit, den Einsatz der italienischen Katastrophenhilfe nach Kräften zu unterstützen."

Auch US-Präsident Barack Obama hat Silvio Berlusconi Unterstützung zugesagt. Wie das Weiße Haus mitteilte, übermittelte Obama in einem Telefonat am Dienstag sein tiefes Mitgefühl und erklärte, die USA würden für die Menschen in Italien beten.

Ganze Ortschaften in Trümmern

In L'Aquila klappten ganze Wohnhäuser wie Kartenhäuser zusammen. L'Aquila ist das Industrie- und Verwaltungszentrum der Region Abruzzen. Die Stadt hat 70.000 Einwohner. Laut Bürgermeister Cialente sind vor allem moderne Wohnblocks betroffen. Diese sind häufig nicht auf Erdbeben ausgerichtet. Auch der mittelalterliche Stadtkern blieb nicht verschont.

Betroffen sind außerdem 26 Ortschaften rund um L'Aquila. So wurde die Ortschaft Onna praktisch dem Erdboden gleichgemacht. 39 von 250 Bewohnern kamen nach Angaben der Rettungskräfte bei dem Beben ums Leben. Am Dienstag versuchten die Einsatzkräfte noch immer, zu einigen schwer zugänglichen Weilern zu gelangen.

Das Hauptbeben hatte laut italienischen Geologen eine Stärke von 5,8, amerikanische Seismologen registrierten sogar eine Magnitude von 6,3. Der Erdstoß riss die Menschen am Montagmorgen um 03.32 Uhr aus dem Schlaf. Die Erschütterungen waren im rund 100 Kilometer südwestlich gelegenen Rom noch zu spüren. Dort wurden neue Risse in den Ruinen der Caracalla-Thermen aus dem dritten Jahrhunderte registriert.

Das Beben war das schwerste in Italien seit fast 30 Jahren. Am 23. November 1980 wurden bei einem Erdstoß der Stärke 6,9 im Süden des Landes rund 3.000 Menschen in den Tod gerissen. Zuletzt wurde Italien am 31. Oktober 2002 von einem heftigen Beben heimgesucht. Bei dem Erdstoß der Stärke 5,4 wurden 28 Menschen in der Region Molise getötet. 27 von ihnen waren Kinder, deren Schule einstürzte.

Berlusconi sagt Russlandreise ab

Berlusconi rief unterdessen den Notstand aus und sagte eine geplante Reise nach Moskau ab, um ins Katastrophengebiet zu fahren. Staats- und Regierungschefs aus der ganzen Welt sendeten Beileidsbekundungen nach Italien, darunter Kanzlerin Angela Merkel und US-Präsident Barack Obama. Nach Angaben des Vatikans betete Papst Benedikt XVI. für die Opfer.

© sueddeutsche.de/AFP/Reuters/dpa/AP/gdo - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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