Motorradbanden in Deutschland:Warum der Kampf gegen kriminelle Rocker so schwierig ist

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Organisierte Biker wie die Hells Angels sind keine freiheitsdurstigen Motorradfahrer, die lieber Totenkopf-Kutten tragen als Krawatten. Sie sind Straftäter, verwickelt in Drogen- und Menschenhandel. Die Behörden wissen das schon lange - und blieben doch viel zu lange untätig. Im Kampf gegen die Kriminellen zahlen sie den Preis für den Föderalismus.

Susanne Höll

Beim Thema Rockerbanden gilt es, mit einigen Mythen aufzuräumen. Natürlich ist nicht jeder, der eine Lederjacke anzieht und auf einem teuren Motorrad durch die Gegend fährt, ein Krimineller. Unter den Bikern gibt es hochanständige Menschen, die keinem anderen etwas zuleide tun, sich an Recht und Gesetz halten und am Wochenende ein ebenso kostspieliges wie riskantes Hobby pflegen.

Polizisten geleiten am Mittwoch in Berlin vor dem Vereinsheim des Motorradclubs Hells Angels ein Mitglied der Rocker. (Foto: dapd)

Diese Feststellung klingt banal, ist es aber nicht. Denn sie erklärt, warum die deutschen Sicherheitsbehörden dem verbrecherischen Treiben zahlreicher organisierter Rockergruppen nicht auf einen Schlag ein Ende bereiten können.

Über die organisierten Biker, seien es die Hells Angels, die Höllenhunde, die Bandidos oder die Outlaws, zu Deutsch: Geächtete, herrschen allerdings auch noch mancherorts verklärte Vorstellungen. In der Öffentlichkeit, wohlgemerkt, nicht bei der Polizei.

Die Sicherheitsexperten wissen längst, dass das keine Clubs freiheitsdurstiger Motorradfahrer sind, die sich gegen gesellschaftliche Zwänge wehren, lieber ärmellose Kutten mit Totenköpfen tragen als Krawatten und vor allem bierselige Gesellschaft Gleichgesinnter suchen. Diese Gemeinschaftsidee stand am Anfang der Rockergruppen-Bewegung. Sie ist passé.

Viele Clubs sind nach dem Urteil von Kriminalisten, Juristen und Aussteigern nichts anderes als ein Zusammenschluss von Straftätern, Mini-Mafias auf Rädern, sozusagen. Sie sind verwickelt in Drogenhandel, verdienen ihr Geld im Rotlichtmilieu, auch mit Menschenhandel. Und sie sind nicht nur gewaltbereit, sie sind auch gewalttätig. Bei Razzien in Clubheimen werden regelmäßig Waffen aller Art gefunden. Die Vorwürfe der Justiz reichen bis hin zu Mord, an Mitgliedern konkurrierender Vereine, aber auch an Polizisten - die Zeiten, in denen Trunkenheit am Steuer und Kneipenschlägereien die schlimmsten Vergehen von Rockern waren, sind vorbei.

Die wachsende Brutalität der Szene, angefacht durch blutige Auseinandersetzungen rivalisierender Gruppen besorgt die Sicherheitsbehörden seit Jahren. Getan hatte sich zunächst aber wenig, was an den Eigenheiten der Rocker-Clubs, aber auch an den rechtsstaatlichen Gepflogenheiten im Föderalismus liegt. Denn für die Sicherheit sind bekanntlich die Länder zuständig, die Stellen des Bundes ermitteln in der Regel nur bei länderübergreifenden Schwerstverbrechen.

Rocker sind nicht deutschlandweit organisiert

Die Rockerclubs aber sind nicht zentral organisiert. Sie sind allesamt eigenständige, lokale Zusammenschlüsse, im Jargon Chapter genannt und streng hierarchisch aufgebaut. Einen allmächtigen Deutschland-Boss, der das alleinige Sagen hat, gibt es allerdings nicht.

Deshalb muss jedes Bundesland selbst aktiv werden und, so die Beweise ausreichen, jeden auffälligen Rocker-Club einzeln verbieten. Das ist keine einfache Sache. Es reicht bei weitem nicht aus, dass ein paar Mitglieder straffällig geworden sind. Die Behörden müssen gerichtsfest beweisen, dass nicht einzelne Rocker, sondern ihr jeweiliges Chapter in Wahrheit eine Gemeinschaft von Übeltätern ist. Es ist ein mühsames Verfahren, aber es funktioniert. Nordrhein-Westfalen hat in einem größer angelegten Anlauf in den vergangenen Wochen mehrere einzelne Clubs verboten, nach Hinweisen der Sicherheitsbehörden in Schleswig-Holstein wurde die Polizei auch in Niedersachsen aktiv, wo die Beamten bislang keine Handhabe gegen die örtlichen Hells Angels fanden.

Den Bundesländern wäre es am liebsten, wenn ihnen der Bundesinnenminister die schwierige Auseinandersetzung mit den kriminellen Rockern abnähme. Doch das wird nicht funktionieren. Die Länderminister sind geradezu verdammt zu einer engen Zusammenarbeit: Sie müssen nämlich nun dafür sorgen, dass sich die Rocker, deren Club aufgelöst wurde, jenseits der Ländergrenze nicht neu formieren. Das ist der Preis, den sie für den Föderalismus zahlen müssen.

© SZ vom 01.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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