Mordfall Diren D.:"Sie sind auf die Jagd gegangen"

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  • Der Todesschütze des Hamburger Austauschschülers Diren D., Markus Kaarma, ist zu 70 Jahren Haft verurteilt worden.
  • Die Staatsanwaltschaft hatte eine noch härtere Strafe beantragt.
  • Kaarma hat nun noch die Möglichkeit, beim Obersten Gerichtshof von Montana Berufung einzulegen.

Von Hans Holzhaider

Es wurde noch einmal hart gerungen im Saal des Bezirksgerichts der kleinen Stadt Missoula. Acht Wochen, nachdem eine Jury aus acht Frauen und vier Männern den 30-jährigen Markus Kaarma der vorsätzlichen Tötung des deutschen Austauschschülers Diren D. schuldig gesprochen hatte, sollte Richter Ed McLean jetzt das Strafmaß verkünden. Zehn bis hundert Jahre Gefängnis sieht das Gesetz von Montana für "deliberate homicide" vor. Mit großem Einsatz versuchten Kaarmas Verteidiger, den Richter zur Milde zu bewegen. Vergeblich. Nach zweieinhalbstündiger Anhörung verurteilte Ed McLean Markus Kaarma zu einer Freiheitsstrafe von 70 Jahren. Frühestens nach 20 Jahren kann er den Antrag stellen, auf Bewährung entlassen zu werden.

Die Staatsanwaltschaft hatte eine noch härtere Strafe beantragt: 80 Jahre mit Bewährung frühestens nach 40 Jahren forderte Bezirksstaatsanwalt Andrew Paul. Er rief Direns Gasteltern in den Zeugenstand. "Wir haben uns einen Sohn mit Direns Eltern geteilt", sagte Direns Gastmutter Kate Walker. Ihr Ehemann Randy Smith sagte: "Direns Tod hat alle Freude aus unserer Familie gesaugt. Jeder Tag zermürbt uns. Wir tun einfach, was wir tun müssen, um durch den Tag zu kommen." Auch Guy Baker, der Ermittlungsleiter der Polizei, wurde noch einmal angehört. Er sagte, Kaarma habe keine Reue gezeigt. In einem Telefongespräch mit seiner Lebensgefährtin habe er sich als "American hero" dargestellt.

Psychiater Johnson: Kaarma leide unter einer Angststörung

Die Verteidigung befragte per Telefon den Psychiater Douglas Johnson, der dem Eindruck widersprach, Kaarma empfinde keine Reue. "Seine Persönlichkeitsstörung hindert ihn, Gefühle zu zeigen", sagte Johnson. Auch Kaarmas asiatische Abstammung spiele eine Rolle. Für Asiaten sei es ein Problem, öffentlich Scham zu bekunden. Kaarma leide unter einer Angststörung. Kaarmas Lebensgefährtin Janelle P. sagte, er werde missverstanden, wenn man ihn für gefühllos halte. Er sei kein Mann vieler Worte, aber er habe ein großes Herz und er liebe seine Familie. "Was geschehen ist, ist eine Tragödie", sagte Janelle. "Ich wünschte, dies alles wäre nicht wahr. Am Ende dieses Tages bitte ich nur um Fairness."

Markus Kaarma hört zu, wie der Richter das strenge Strafmaß verkündet. (Foto: Kurt Wilson/AP)

Als letzte Zeugin wurde Kaarmas Mutter gehört. Sie wandte sich an Direns Vater, der zur Urteilsverkündung noch einmal nach Missoula gereist war. "Es tut mir sehr leid", sagte sie. "Warum haben Sie so lange gewartet. Jetzt ist es zu spät", antwortete er. Die Mutter gab sich selbst eine Mitschuld an Kaarmas Tat. "Wir sind keine schlechten Leute", sagte sie. "Ich weiß, dass Markus beängstigend wirken kann. Ich bin nicht stolz auf sein Benehmen."

Richter McLean: "Angst ist keine Entschuldigung"

Kaarmas Verteidiger Paul Ryan beantragte eine Freiheitsstrafe von 40 Jahren, von denen er aber nur fünf Jahre verbüßen sollte, der Rest solle zur Bewährung ausgesetzt werden. Richter McLean zeigte wenig Verständnis für die Strategie der Verteidiger: "Sie haben alles verlangt, und nun kriegen Sie alles", sagte er, nachdem er das Strafmaß verkündet hatte. Er hielt Kaarma und seiner Partnerin vor, sie hätten zwar alle Nachbarn gewarnt, sie sollten ihre Garagen verschlossen halten, aber ihre eigene Garage hätten sie offenstehen lassen, um eventuelle Diebe anzulocken. "Angst ist keine Entschuldigung", sagte der Richter. "Sie sind auf die Jagd gegangen. Wie konnten Sie ein Kind töten, das ein Bier stehlen wollte." Kaarma sei wütend auf die Welt, "aber wir müssen eine Gesellschaft schaffen, in der Menschen wie Sie nicht überreagieren".

Den Antrag der Verteidigung, das Verfahren neu aufzurollen, hatte McLean zuvor abgelehnt. Kaarma hat nun noch die Möglichkeit, beim Obersten Gerichtshof von Montana Berufung einzulegen. Bernhard Docke, der Anwalt der Familie D., kündigte an, die Familie werde jetzt eine Zivilklage auf Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz erheben.

© SZ vom 13.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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