Mode:Bunte Republik Deutschland

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In dubio pro homo: Die Schuhfirma Converse bietet bunte Sohlen an. (Foto: PR)

Die Modewelt ist auf die politische Gleichstellung homosexueller Paare bestens vorbereitet: Von Regenbogen-Schuhen, über Pride-Produkte bis bunte Mützen lässt sich allerlei gut verkaufen.

Von Dennis Braatz

Und plötzlich war alles bunt. Die Facebook-Profilfotos, die Instagram-Kanäle und sogar die Startseite von Google leuchtete rot, orange, gelb, grün, blau und violett. Die Regenbogenfahne, das berühmte schwul-lesbische Symbol, tapezierte am Freitagvormittag das Internet, nachdem der Bundestag sein Go für die völlige Gleichstellung homosexueller Paare gegeben hatte. Die beliebtesten Hashtags: #ehefüralle, #heuteisteingutertag, #wehavearrivedinthe21stcentury.

Keine Frage, das ist für viele ein Grund zum Feiern. Wer will, kann seine Freude über den historischen Entscheid deshalb jetzt auch noch analog zum Ausdruck bringen. In erster Linie mit Turnschuhen.

Nike verkauft ein Modell mit dem "Swoosh" genannten Logo in Regenbogenfarben, Adidas eins mit Punkten in Regenbogenfarben, bei Puma und Converse sind die Sohlen in Regenbogenfarben gehalten. Und Levi's steuert T-Shirts und Halstücher mit Regenbogen-Logo bei.

Dass in Deutschland bald Männer Männer und Frauen Frauen heiraten dürfen, ist für einige Modekonzerne ein glücklicher Zufall, weil es jetzt hierzulande einen selten guten Kaufanlass für ihre Produkte gibt. Sie vermarkten sie nämlich ganz offiziell unter dem Motto "Pride" (Stolz), also dem Begriff, der in der Lesben- und Schwulenbewegung den offenen und selbstbewussten Umgang mit der sexuellen Identität markiert. Als "Gay Prides" werden häufig die immer im Juni und Juli auf der ganzen Welt stattfindenden Straßenumzüge,Veranstaltungen und Demonstrationen für die Rechte von Homosexuellen bezeichnet. In Vorbereitung auf so eine Veranstaltung, dem "Gay Freedom Day", erfand der Ex-Soldat und Künstler Gilbert Baker Ende der Siebzigerjahre in San Francisco die Regenbogenflagge.

Wer sich damals mit dem Symbol zu seiner Homosexualität bekannte, bewies Mut. Weil er häufig von anderen diskriminiert wurde und mit Anfeindungen oder Gewalt zu rechnen hatte. Die meisten Heteros, Politiker oder gar Modefirmen hätten sich deshalb auch niemals mit einem Regenbogen "pro homo" gegeben. Im Jahr 2017 schreiben sie sich die sechs Farben dagegen gern auf ihre Fahnen oder Schuhe. Sie sind zu einer Art Stilmittel geworden, doch als homosexueller Mensch fragt man sich durchaus, ob sich auch jeder, der so einen trendigen Regenbogenschuh anzieht, mal Gedanken darüber macht, wie es ist, wegen seiner sexuellen Einstellung auf der Straße geschlagen oder bespuckt zu werden. Das nämlich kann einem in Deutschland auch heute noch passieren.

Dass sich derzeit Modefirmen mit der Regenbogenflagge positionieren, hat durchaus auch etwas mit Politik zu tun: Einige von ihnen haben schon in der Vergangenheit kleine Extra-Kollektionen im Rahmen des von Barack Obama 2009 eingeführten "LGBT Pride Month" (für Schwule, Lesben, Bi- und Transsexuelle) verkauft. Jedes Jahr im Juni nahm Obama seitdem an Feierlichkeiten zugunsten der Community teil, gab Empfänge im Weißen Haus, und Modelabels spendeten die Erlöse ihrer Regenbogen-Stücke an wohltätige Zwecke. Obamas Nachfolger Donald Trump hat den Pride-Month aber nun wieder abgeschafft.

Dass so viele Labels wie noch nie gerade Regenbögen auf ihre Produkte drucken und sich wohltätig engagieren, darf man also auch als Statement verstehen. Auch für die Modebranche selbst. Dort arbeiten viele homosexuelle Menschen, das weiß man und das war schon immer so. Öffentlich dazu bekannt oder sich für entsprechende Themen engagiert, das haben sich noch vor ein paar Jahren aber die wenigsten Designer oder Marken. Der Ire Jonathan Anderson, Chefdesigner von JW Anderson und Loewe, führt hier eine neue Generation an. Vergangene Woche ließ er in Madrid das Markenlogo von Loewe in Regenbogenfarben als Graffiti auf die Rolladen von Fenstern sprühen. Sein Hashtag in diesen Tagen: #worldpride2017.

Oder geht es doch vor allem um Kommerz? Nichts ist unter modebewussten Menschen gerade angesagter, als sich mit einer paar Klamotten eine politische Haltung überzuziehen, siehe auch die vielen Feminismus-T-Shirts und "Pussy Hats" (rosa Wollmützen), die von Dior bis H&M die Geschäfte fluten. Am Ende ist so eine textile Instant-Haltung aber natürlich immer noch besser als gar keine. Solange man sich auch noch an sie erinnert, wenn der Regenbogentrend längst wieder vorbei ist.

© SZ vom 01.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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