Missstände im österreichischen Strafvollzug:Häftling von Gefängniswärter misshandelt

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Videoaufnahmen zeigen einen Vorfall in der österreichischen Haftanstalt Suben, bei dem ein Gefangener von einem Beamten misshandelt wurde. (Foto: Florian Klenk / Falter)

Er hielt ihn im Würgegriff und schleuderte ihn gegen die Wand: Ein österreichischer Gefängnisbeamter hat einen Häftling schwer misshandelt. Vier Kollegen schauten zu, keiner schritt ein. Der Richter verhängte lediglich ein Bußgeld von 100 Euro, obwohl der Vorfall bestens dokumentiert ist.

Eigentlich ist die Justizanstalt Suben in Oberösterreich ein Vorzeige-Gefängnis. Der Umgangston in dem ehemaligen Stift gilt als freundlicher als in den meisten anderen österreichischen Haftanstalten. Etwa 280 Gefangene sitzen hier ihre Strafe ab. Viele arbeiten in den Betrieben des Gefängnisses und stellen Mausefallen, Betten und Kunststofffenster her. 2008 wurde die Anstalt Suben mit dem Preis SozialMarie für soziale Innovationen ausgezeichnet.

Doch ein Vorfall, der nun bekannt wurde, dürfte den guten Ruf von Suben schwer beschädigen. Das österreichische Stadtmagazin Falter hat am Mittwochmorgen Screenshots eines Videos vom Mai 2012 aus der Anstalt veröffentlicht, das dokumentiert, wie ein Justizbeamte einen Insassen vor den Augen seiner Kollegen schwer misshandelt. Der Insasse sollte von einem Besuch beim Amtsarzt zurück in seine Zelle gebracht werden. Auf den Fotos hält der Revierinspektor den Gefangenen im Würgegriff, schlägt ihn mit der Faust in den Nacken, schleudert ihn mit Wucht gegen eine Betonwand und drückt ihm seine Hand auf Mund und Nase. Vier Beamten schauen bei der Erniedrigung zu, keiner schreitet ein. Der Gefangene erleidet Blutergüsse und eine "Hämatomverfärbung" am rechten Auge.

Die Justiz schaut weg

Er habe dem Gefangenen lediglich ein "Tapperl ("Klaps", Anmerkung der Redaktion) auf den Hinterkopf gegeben", soll der Beamte später dem Richter gesagt haben. Der Gefängnisaufseher kam mit einer Geldbuße von 100 Euro davon. Dabei ist der Vorfall bestens dokumentiert. Wie der Falter berichtete, soll der fortschrittliche Anstaltsleiter Gerd Katzelberger das Video, das die Misshandlung zeigt, persönlich an den ermittelnden Staatsanwalt geschickt und ihn gebeten haben, den Vorfall angemessen zu verfolgen. Obwohl das Video dem Justizministerium seit zwei Jahren bekannt ist, habe der Verantwortliche bisher keine weitere Strafe erhalten, berichtet der Falter. Mehr als eine Geldstrafe habe der Beamte aufgrund seines "tadelfreien Vorlebens" und "einsichtigen Verhaltens" nach Informationen des Falters auch nicht zu befürchten. Seine vier Kollegen wurden bis heute nicht belangt.

Justizminister fordert Reform

"Der Staat hat hier völlig versagt", sagte Heinz Patzelt, Generalsekretär von Amnesty International in Österreich dem Stadtmagazin. Der UN-Anti-Folter Experte Manfred Nowak kritisierte scharf, dass hier erneut die Misshandlung von Schutzbefohlenen bagatellisiert worden sei.

Der Vorfall in Suben scheint nicht der einzige Missstand in der österreichischen Justiz zu sein. Vor Kurzem veröffentlichte der Falter den Befund eines psychisch-kranken Insassen aus einer anderen Anstalt vom 10. März diesen Jahres. Der 74-jährige Gefangene der Anstalt Stein sei so verwahrlost gewesen, dass der Anstaltsarzt von einem lebensgefährlichen Zustand gesprochen habe. Der Falter zitiert aus einem ärztlichen Bericht, wonach ein alter Verband bereits in die Haut eingewachsen war. Drei Beamte wurden suspendiert, nachdem der Fall bekannt geworden war.

Wie das österreichische Nachrichtenportal DiePresse.com berichtete, sieht Österreichs Justizminister Wolfang Brandstetter die beiden Vorfälle als Beleg dafür, dass der gesamte Strafvollzug und Maßnahmenvollzug reformiert werden müsse. "Das ist kein Zufall. Das System ist krank", zitiert DiePresse.com den Justizminister.

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