Misshandlungsvorwürfe in Brandenburg:Vermisste Heimjungen haben eine neue Bleibe gefunden

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Was passierte hinter diesen Fenstern eines Heimes der Haasenburg GmbH? Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen diverser Vorwürfe der Misshandlung. (Foto: dpa)

Die drei vermissten Jugendlichen aus den umstrittenen Haasenburg-Heimen sind in Hamburg gestrandet. Nach ihrer Flucht haben sie sich in der Hansestadt bei einer Sozialeinrichtung gemeldet. Die Staatsanwaltschaft ermittelt bereits in mehreren Fällen von Misshandlung gegen die Heimbetreiber.

Die drei vermissten Heimjungen aus Brandenburg haben durch die Vermittlung einer Hamburger Sozialeinrichtung zwischenzeitlich eine neue Bleibe gefunden. "Sie sind an uns herangetreten und standen vor unserer Tür", sagte die Sprecherin des "Rauhen Haus" in Hamburg, Sylvia Nielsen, am Freitag und bestätigte damit einen Bericht des Radiosenders NDR 90,3.

Das Trio im Alter von 15 bis 16 Jahren war aus einem der umstrittenen Kinder- und Jugendheime der Haasenburg GmbH in Brandenburg geflohen. Sie erheben Vorwürfe gegen Erzieher und Heimbetreiber, gegen die wegen Misshandlungsvorwürfen bereits ermittelt wird. Einer der Jugendlichen behauptet von den Erziehern in einen Müllcontainer gesteckt worden zu sein.

Die drei seien nicht in Unterkünften des "Rauhen Hauses" untergekommen, sondern nur weitervermittelt worden, hieß es weiter. Zu dem Aufenthaltsort wollte sich die Sprecherin nicht äußern. "Wir stehen mit ihnen in Kontakt", sagte Nielsen.

Nach Informationen von NDR 90,3 soll sich einer der Jugendlichen inzwischen wieder in Brandenburg aufhalten. Die Polizei in Cottbus hatte nach Angaben eines Sprechers dazu keine Erkenntnisse. Sie sucht die Jugendlichen weiterhin aufgrund einer Vermisstenanzeige. Die Hamburger Sozialbehörde hat einer Sprecherin zufolge inzwischen eine Vermisstenanzeige für einen Jungen aus Hamburg gestellt.

Die Anschuldigungen gegen die Haasenburg GmbH in Brandenburg wiegen schwer

Körperverletzung, Misshandlung Schutzbefohlener und Nötigung - die Anschuldigungen gegen die geschlossenen Kinder- und Jugendheime der Haasenburg GmbH in Brandenburg wiegen schwer. Am Donnerstagabend durchsuchte die Polizei die Einrichtung. Gleichzeitig wurde bekannt, dass die drei Jugendliche als vermisst gelten.

In den umstrittenen Einrichtungen sind Kinder und Jugendliche aus 14 Bundesländern untergebracht. Linke und FDP forderten die sofortige Schließung der Heime. Der Bildungsausschuss im Landtag soll nun klären, ob die Behörden ihren Aufsichtspflichten ausreichend nachgekommen sind.

"Wir sollten prüfen, ob solche Heime im äußersten Fall notwendig sind", sagte Bildungsministerin Martina Münch (SPD). Das Konzept und die Kontrollmechanismen müssten überprüft werden. Allerdings gebe es keine schnellen und einfachen Antworten. Ziel müsse es jedoch sein, die Vorwürfe umfassend aufzuklären und ein pädagogisch sinnvolles Konzept anzubieten. An diesem Freitag erwartet die Haasenburg GmbH einen Besuch der Experten. "Wir begrüßen alles, was der Sachaufklärung dient", sagte ein Unternehmenssprecher. Der Betreiber bestreitet die Anschuldigungen.

Anschuldigungen wegen Mord und Folterungen

Rund 50 Polizeibeamte und vier Staatsanwälte hatten am Donnerstag drei Heime in Jessern, Neuendorf in Unterspreewald und in Müncheberg sowie ein Bürogebäude in Lübben durchsucht. Sie stellten viele Akten sicher, teilte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Cottbus mit. Anlass war die Strafanzeige eines 19-Jährigen, der in dem Heim in Jessern war.

Außerdem hat die Staatsanwaltschaft ein Verfahren aufgrund eines RBB-Fernsehberichts eingeleitet, in dem eine 19-Jährige von Misshandlungen berichtet hatte. Die Behörde ermittelt laut Justizstaatssekretär Ronald Pienkny in acht Fällen. Dazu zählen zwei frühere Todesfälle in den Jahren 2005 und 2008, die nochmals untersucht werden. In sechs weiteren Fällen geht die Staatsanwaltschaft Vorwürfen nach, die bis in das Jahr 2006 zurückreichen.

Grundlage für die Verfahren sind Anzeigen und Medienberichte. So sollen die Heimbewohner tagelang auf Liegen fixiert worden sein. Die Vorwürfe richten sich bislang gegen noch nicht näher identifizierte Mitarbeiter der Einrichtungen, teilte eine Behördensprecherin mit. Die Geschäftsführer der Haasenburg GmbH würden jedoch der Beihilfe zum Mord und Folterungen bezichtigt.

Geschlossene Heime sind unter Experten umstritten. Es gibt sie beispielsweise in Bayern oder Nordrhein-Westfalen. In Hamburg wurde eine entsprechende Einrichtung geschlossen - viele der Insassen wurden anschließend in Brandenburg untergebracht.

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